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José James - While you were sleeping

José James- While you were sleeping

Blue Note / Universal
VÖ: 01.08.2014

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Reisefreudig

Kurswechsel bei Musikern sind ein heikles Thema. Wer sich stilistisch weiterentwickeln oder gar ganz neu erfinden möchte, sollte auf wütende Kritik und herzlose Häme vorbereitet sein. Denn das Stammpublikum erwartet Verlässlichkeit. Klar, Veränderungen sind grundsätzlich erlaubt, aber verdaulich müssen sie sein. Sonst werden Helden genauso schnell fallengelassen wie sie einst aufgehoben wurden. Wer es nicht glaubt, kann ja mal nachfragen – bei Jan Delay etwa.

Bei José James ist ein Liebesentzug dieser Art nicht zu befürchten. James ist eine alte Seele mit neuen Ideen. Sein Sound war von Beginn an universell und klammerte immer schon explizit verschiedene Spielarten und Genres mit ein. Vor vier Jahren noch wanderte er auf den Spuren von Johnny Hartman und John Coltrane, gab den samtenen Crooner und erntete begeisterte Kritiken in der Jazz-Szene. Andere Anhänger schätzten ihn für seine offensichtliche Verbundenheit zu HipHop und Neo-Soul und feierten ihn als den neuen D'Angelo. Nur mit Rockmusik brachte man den 35-jährigen New Yorker bislang eher weniger in Verbindung. Doch das wird sich nun mit "While you were sleeping" ändern, seinem zweiten Album für Blue Note Records.

Die Platte beginnt mit einem ausgiebigen Gitarren-Intro von Brad Allen Williams und so mit einer ersten Duftmarke im neuen Klangkosmos. Es folgt das markante Riff von "Angel", einem groovenden Stampfrocker. Schnell wird klar, dass James und Band bei ihrem Ausflug in den Rock den schwarzen Rock'n'Roll zum Vorbild erkoren haben. So übernimmt das Solo im Auftaktsong nicht etwa eine verzerrte Gitarre, sondern eine fiebrige Orgel. Außerdem ist es das lyrische Timbre des Sängers, das mal an Bill Withers, Johnny Hartman oder an Prince erinnert, das eine zu starke Anbiederung an klassische Rockmusik verhindert.

Besonders stark ist das Titelstück geraten, auf dem James über einen hypnotisierenden Sog aus folkiger Akustikgitarre und psychedelischen Keyboard-Einwürfen sein ganzes Können zeigt. Er beschwört, fleht und setzt seine Kopfstimme ein. Seine Meisterschaft zeigt sich nicht im rekordverdächtigen Erklettern von Tonleitern, sondern in der wohlbedachten Wahl weniger, aber richtiger Töne. Harmonisch erinnert der Song an Pink Floyd, das rückwärts abgespielte Gitarrensolo ruft Gedanken an Radiohead hervor. Hörenswert ist auch "Anywhere u go", dessen Beatsteaks-Riff vom vertrackten Rhythmus der Band in eine gänzlich andere Richtung getrieben wird. "Everylittlething" hingegen ist eine tanzbare Nummer mit Industrial-Charakter. James mag seinen Stil noch so oft variieren – er hält stets den roten Faden in beiden Händen. Und der heißt Gefühl. Die Deep-Groove-Interpretation von Al Greens "Simply beautiful" inklusive jazzigem Trompeten-Solo beendet ein gutes, weil sehr vielseitiges und atmosphärisch oft überraschend düsteres Album. Zum ganz großen Wurf hat es nicht gereicht, weil die Vielseitigkeit nicht nur ein variables Talent verrät, sondern auch eine gewisse Unentscheidenheit. Die Reise ist ganz sicher noch nicht zu Ende. Und James wird seinen Kurs finden.

(Sebastian Meißner)

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Highlights

  • While you were sleeping
  • Anywhere u go
  • Everylittlething

Tracklist

  1. Angel
  2. U r the 1
  3. While you were sleeping
  4. Anywhere u go
  5. Bodhisattva
  6. 4 noble truths
  7. Dragon (feat. Becca Stevens)
  8. Salaam
  9. Without u
  10. Everylittlething
  11. xx
  12. Simply beautiful (feat. Takuya Kuroda)

Gesamtspielzeit: 50:37 min.

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