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Clipping. - CLPPNG

Clipping.- CLPPNG

Sub Pop / Cargo
VÖ: 13.06.2014

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Visionär kaputt

Der Einfluss der Zahnärzte auf die populäre Musik des Abendlandes war bis dato eher gering. Zu beschäftigt waren sie mit dem Reparieren von durchlöcherten Kauinstrumenten, um sich mit derart profanen Dingen zu beschäftigen – von Dr. Alban einmal abgesehen, aber der zählt nicht. Dabei bergen gerade die filigranen Foltermittel der Dentisten großes Potenzial. Die wohligen Klänge eines auf Zahnschmelz treffenden Bohrkopfes. Das vollmundige Zischeln des Absaugschlauches. Klingt schrecklich und unglaubwürdig? Das experimentelle HipHop-Trio Clipping. ist da anderer Meinung. Jeder sadistisch veranlagte Kieferorthopäde hätte seine wahre Freude an all den terrorverdächtigen Geräuschen, die die Band ihren Patienten vorsetzt.

Die drei Grundpfeiler des Clipping.-Sounds sind Abstraktion, Reduktion und Konfusion. Heißt: Klangelemente aus HipHop, Electronica und Neuer Musik werden auseinandergenommen und in bester Frankenstein-Manier neu zusammengefügt. Grenzen sind nur insofern existent, als dass sie genüsslich überschritten werden. Und obwohl der Hörer beim ersten Durchlauf irritiert dreinblicken wird: Wenn nach dem "Intro" bei "Body & blood" verzerrte Bassdrums auf kreischende Samples treffen, stellt sich ein ähnlicher Effekt wie bei Kanye Wests "Yeezus" ein. Anfängliche Ablehnung weicht rasch Akzeptanz und Zustimmung. Jedermanns Sache ist das auf keinen Fall. Aber allemal durchdacht und trotz aller Sperrigkeit immens eingängig.

Das auf sphärischen Glockenklängen aufgebaute "Work work" kommt indessen weniger biestig daher. Die zurückhaltenden Strophen werden durch einen furztrockenen Refrain mit Ohrwurmcharakter kontrastiert. Auch der verspulte Banger "Inside out" und das mit Kinderchor und Keuchhusten-Beats ausgestattete "Dominoes" besitzen echtes Hitpotenzial. Wenn so die Zukunft des HipHop aussieht, dann bitte mehr davon. Ein viel zu tiefer Griff in die versiffte Discotoilette ist hingegen "Tonight". Zwar ist erkennbar, dass die Verpeiltheit einer überlangen Clubnacht sich in der Musik niederschlagen soll – was am Ende aber aus den Lautsprechern dringt, fördert einen veritablen Kater zu Tage. Zu penetrant ist die schräge Hook, zu stumpf der Text. Weitere Ausfälle dieser Größenordnung sind jedoch nicht zu verzeichnen.

Hauptverantwortlich für den positiven Eindruck, den "CLPPNG" hinterlässt, ist MC Daveed Diggs. Sein Flow wirkt zwar kantig, umso virtuoser ist jedoch die Art und Weise, wie er maschinengewehrgleich und mühelos Doubletime-Passagen, triolische Elemente und gehirnverbiegende Reimkaskaden zu synkopierten Sechzehntelketten verwebt. Zudem gehen die Texte weit über das Hood'n'Bitches-Gebrabbel des Mainstreams hinaus, auch wenn Diggs ganz bewusst mit genreüblichen Motiven wie Gewalt, Drogenkonsum und Sex jongliert. Besonders eindrucksvoll gerät hier das nur zwei Minuten lange "Story 2", in dem der Rapper ein wahres Feuerwerk an Wort- und Rhythmikspielereien abbrennt.

Diggs impressionistisches Storytelling kommt am besten zur Geltung, wenn die Musik sich im Einklang mit den düster-abstrakten Bildern der Texte befindet. Konventionelle HipHop-Grooves bilden zwar das Gerüst vieler Songs, nicht selten lassen die Beatbastler Jonathan Snipes und William Hutson jedoch alle Scheuklappen fallen. So bildet der schrille Alarmsound eines Radioweckers die Basis für das verstörend schöne "Get up", das ein zuckersüßer, von Mariel Jacoda gesungener Refrain krönt. Die ansonsten vertretenen Features können das hohe Niveau nicht ganz halten, in Ordnung gehen die Beiträge von Underground-Größen wie Cocc Pistol Cree und King T aber natürlich trotzdem. Am Ende macht das Trio aus Los Angeles das einzig Konsequente: alles kaputt. Der düstere Schlusstrack "Ends" schlingert und taumelt, ehe er schließlich sein Leben aushaucht und stotternd den Geist aufgibt. Reparatur: ausgeschlossen.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

  • Body & blood
  • Taking off
  • Get up
  • Inside out

Tracklist

  1. Intro
  2. Body & blood
  3. Work work
  4. Summertime
  5. Taking off
  6. Tonight
  7. Dream
  8. Get up
  9. Or die
  10. Inside out
  11. Story 2
  12. Dominoes
  13. Ends
  14. Williams mix

Gesamtspielzeit: 57:00 min.

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User Beitrag

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31725

Registriert seit 07.06.2013

2021-11-26 14:14:15 Uhr
Interessantes Video zur Polyrhythmik in "Story 2":

Mainstream

Postings: 1864

Registriert seit 26.07.2013

2014-09-07 20:56:34 Uhr
Ohne mir viel auf mein Hip Hop-Wissen einbilden zu wollen, höre ich hier doch etwas Überragendes heraus. Highlights: Body and Blood, Dream, Inside Out, Dominoes. Für Tonight gibt es noch immer den Skip-Knopf, falls man keine Lust auf Disco-Single hat.

Desare Nezitic

Postings: 5406

Registriert seit 13.06.2013

2014-06-21 19:05:58 Uhr
Lagerfield hat doch (ausnahmsweise) völlig recht. Blackie IST halt n schlechter Dünnpfiff gegenüber MC Ride, der sich zwar von den ursprünglichen Techniken eines Rappers weit entfernt hat, dafür aber unvergleichlich ausdruckstark und lyrisch ausgereift ist. Mensch beachte mal die Auseinandersetzungen mit Sex und wie dieses Thema sonst im Rap-Universum aufgegriffen wird.

Aber hier geht es ja um clipping....

boneless

Postings: 5312

Registriert seit 13.05.2014

2014-06-21 18:44:48 Uhr
ich würde mich gern dazu äußern, aber bei deinem aggressiven unterton vergeht einem schon wieder jegliche lust zu diskutieren. tschüss.

Lagerfield

Postings: 216

Registriert seit 29.04.2014

2014-06-21 16:38:26 Uhr
im direkten vergleich hat blackie mich jedenfalls besser unterhalten, da er einfach nicht so verkrampft daherkommt wie dg.

Schön für dich. Ich höre da nur einen MC ohne jegliches Charisma der über Beats rappt, die ich nicht hätte schlechter in Audacity und Garageband zusammenbasteln können. Und wo DG verkrampft sein sollen musst du mir mal bitte erklären. Selten so einen Schwachsinn gelesen.

Und wenn ich sage, dass Blackie ein schlechter Rapper ist, dann meine ich das nicht von einen technischen oder lyrischen Standpunkt aus.
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