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Jolie Holland - Wine dark sea

Jolie Holland- Wine dark sea

Anti / Indigo
VÖ: 16.05.2014

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Der Geist des Weines

Lauter und roher wollte Jolie Holland "Wine dark sea" klingen lassen. Die Extravaganz ihrer Stimme verhüllt enigmatische Düsternis und lässt Hollands neuestes Opus zu einem synästhetischen Genuss in den Welten der eigenen Wahrnehmung werden. Oder um konkreter im Bilduniversum der Texanerin zu bleiben: als würde dimmes Kerzenlicht sich an den geschliffenen Rändern eines polierten Weinglases brechen und das Bordeaux-Rot des süffigen Inhalts (präferiert ein Merlot, Jahrgang 1998) in einem Kegel gesplitterter Helligkeit von Farbe und Dunst an die Wand projizieren; bei jedem Flackern des Lichts die Geister des Weines an den Wänden spuken lassen und die Welt, die hauptsächlich aus "Dark days" und nächtlicher Dunkelheit besteht, in verrauchte Undurchdringlichkeit verwandeln. Noch konkreter geht es in der Vermischung von Delta Blues, Free-Jazz-Anleihen, traditionellem Country und klassischem R&B um die Metamorphose eines jeden ordinären Kneipenabends, es geht um die Transformation des alltäglich Bekannten in übergeordnete Sinnzusammenhänge, welche das Erleben des Gewöhnlichen zu Außergewöhnlichem erlauben. "Wine dark sea" ist die Reise in die Nacht, in die verslumten Häuserschluchten der eigenen Empfindung und des eigenen Erlebens. Denn irgendwo, zwischen den Mülltonnen und dem Ungeziefer des Innenlebens und Fühlens, muss sich schließlich das verstecken, was in die Umarmung des Lichts strebt.

Auf einem weindunklen Meer - verloren oder nicht -, besser lässt sich das nächtliche Streben nach einem sinnerfüllten Leben, die Suche nach Beständigkeit in nächtlichen Städten, einsamen Hotelzimmern, Bars, Clubs oder dem Flanieren an scheinbar endlosen Bordsteinen entlang kaum beschreiben. Dissonanzen, Disharmonien sprengen immer wieder die andächtige Ruhe, die ein verspielter Blues wie etwa "On and on" vorgaukelt. Verzerrte Gitarren und Feedbackhintergründe entlarven die Selbsttäuschung; verkaterter Jazz an den Tresen von französischen Chansons und Lounge in "First sign of spring"; triste Tremolo-Gitarren auf einem Bett aus Rückkopplungen, die sich auf der Suche nach Erlösung in der Schwüle des abendlichen Deltas und nach einem Partner sehnen in "Dark days"; oder schräge Klarinettensoli in "All the love"; selbst der beischlaftrunkene Bass in "Waiting for the sun": in der Wahrnehmung der Holland verschwindet die Welt des Traditionellen hinter einer übergeordneten Größe. Eine übergeordnete Größe, die all dem Verfall, dem Alleinsein, der Verlorenheit einen Sinn abringt.

Wo dieser sich verbirgt, steckt im Zusammenspiel der Instrumente, dem Vibe inmitten der typisierten Struktur der versammelten musikalischen Genres, der Elektrizität, der Anziehung der Töne und Klänge. "Route 30" verliert sich im bekannten Truckercountry, und doch ... da ist mehr. Dieser Überschuss lässt "Wine dark days" zu etwas Besonderem werden, macht die Welt des Jeden-Tag-Treibens zu etwas Ungewöhnlichem. Und irgendwo am Ende der lichtfleckigen Dunkelheit wird hoffentlich jemand warten, der mehr ist als der Geist des Weines an der Wand einer angezechten Nacht. Das scheint die Holland genau zu wissen.

(Peter Somogyi)

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Highlights

  • On and on
  • First sign of spring
  • Route 30

Tracklist

  1. On and on
  2. First sign of spring
  3. Dark days
  4. Route 30
  5. I thought it was the moon
  6. The love you save
  7. All the love
  8. Saint Dymphna
  9. Palm wine drunkard
  10. Out on the wine dark sea

Gesamtspielzeit: 49:10 min.

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