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My Sad Captains - Best of times

My Sad Captains- Best of times

Bella Union / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 14.03.2014

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Boom me up

Die Leisetreter-Genres unter den Musikstilen haben es im Popzirkus bekanntlich sehr viel schwerer als andere. Shoegaze, Slowcore, Dreampop oder Indietronics erleben zwar hier und da ihre 15 Minuten Ruhm, für einen nachhaltigen Popularitäts-Boom reicht es im Allgemeinen jedoch nicht. Auch die Londoner Viererbande My Sad Captains schnitzte sich Zeit ihres zehnjährigen Bestehens bereits den ein oder anderen Minihit ins Kerbholz, der jeweils aber eher Mini als Hit blieb. Da man eben dies aber vorher weiß, wenn man sich in besagten Genres herumlümmelt, heißt die Devise für die Zukunft einfach "Weitermachen". Und so ziehen My Sad Captains auch auf ihrem dritten Album "Best of times" den schmalen Grat zwischen Dreampop, Shoegaze und Indietronics lieber auf Millimeterpapier nach, statt mit allzu großen Gesten auf ihm herumzuschmieren.

Das größte Pfund, das My Sad Captains hierbei in die Waagschale werfen, ist gewiss die Tatsache, dass sie mit ihren Mitteln stets zum Wohle der Songs hauszuhalten wissen. So genügen "Wide open", um ansprechend Stimmung zu machen, zunächst drei einsame Klaviernoten, die jeden zweiten Takt zwischen die Viertel gesetzt werden. Irgendwann antworten die Gitarre mit einer Gegenphrase, ein paar Effekte trippeln en passant vorbei, bis der Beat einsetzt und, einmal angeworfen, metrisch ausgesprochen gleichgemessen voranzuckelt. Darauf ein paar Keyboardteppiche, einige Gitarrendelays und im Klangbad beinahe versinkende Akustik-Akkorde. Und mittendrin kuschelt sich Ed Wallis' Stimme in die Kissen, hallverhangen, mehrfach gedoppelt, leicht und einschmeichelnd – also genau so, wie es solcherlei Musik einzig verträgt.

Was sich sonst noch alles mit My Sad Captains' Traumwelten verträgt? Überraschend viel, so muss man sagen. Der geschmeidig pumpende Krautrock-Beat von "All times into one" findet auf "Best of times" ebenso Platz wie der angefunkte 1980er-Vibe von "Extra curricular". Durch den Takt von "In time" schleicht ein seichtes Sixties-Schunkeln, während sich die Gitarren gegenseitig ihre schönsten Läufe vorgaukeln, Bass und Schlagzeug hingegen derart straight voranrollen, als ginge es hier eigentlich um Folkrock. Geht es aber natürlich ebenso wenig wie später bei "Hardly there", das den Genrekollegen von The Album Leaf nebenbei erklärt, wie man den Rausch aufrechterhält, ohne sich zu sehr in die eigene Transusigkeit zu vertrippen. Stattdessen dispergieren und dröhnen hier die Gitarren zum Schlusstakt, pumpt der Bass zugleich bauchige und knarzende Sechzehntel-Noten durch den Hintergrund – und das als Nachklapp zu einem Song, dem man seinen Popwillen zuvor unbedingt anhören konnte.

Damit wären wir beim zweiten großen Pfund, das My Sad Captains aufs Tableau bringen. Nämlich der Grundentspanntheit, mit der sie ihre Abweichungen in die Songs einarbeiten. All das geschieht auf ungemein leisen Sohlen, weshalb "Best of times" beinahe eine basisdemokratische Dichte erreicht – natürlich mit dem Führungsanspruch auf Harmonien und Melodien. Das widerspricht sich zwar, macht aber spätestens dann rein gar nichts mehr, wenn beim abschließenden "Familiar ghosts" erneut Klaviertupfer zu einem ebenso kräftigen wie gelassenen Schlagzeug regieren und Wallis' erstmals gar eine gewisse Verspieltheit in die Noten legt. Tja, es hat halt schon was für sich, wenn man mit seinen Stimmbändern zugleich einlullen und fingerschnippen kann. Ein Popularitäts-Boom ist damit zwar erneut nicht in Sicht – aber ein solcher wäre für die Musik von "Best of times" natürlich auch einfach viel zu laut.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights

  • Wide open
  • In time
  • Hardly there
  • Familiar ghosts

Tracklist

  1. Goodbye
  2. Wide open
  3. In time
  4. All times into one
  5. Extra curricular
  6. All in your mind
  7. Hardly there
  8. Keeping on, keeping on
  9. Familiar ghosts

Gesamtspielzeit: 46:07 min.

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