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Lindi Ortega - Tin star

Lindi Ortega- Tin star

Last Gang / PIAS
VÖ: 15.11.2013

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Wenn's klemmt

Ihr Country ist so etwas wie guter Hardcore: Aufbegehren, süffisanter Zorn mit einem Augenzwinkern, weder bierernst noch furztrocken, dennoch durchschlagend und emotional tief im Herzen verkeilt. Ein gutes dreiviertel Jahr nach dem umjubelten "Cigarettes & truckstops" geht Lindi Ortega mit roten Lippen und noch röteren Boots sowie der Hilfe des Grammy-nominierten Produzenten-Nerds Dave Cobb (Jamey Johnson, Secret Sisters, Shooter Jennings) dem vom männlichen Sexismus irgendwo zwischen die Familienjuwelen geklemmten Country-Sound von vorgestern mit Indie-Absätzen und Singer-Songwriterin-Stahleinlagen erneut an den Spitzen-String-Tanga. Was hinten feststeckt, muss vorne gekniffen werden.

Wo Miley Cyrus sich lasziv für einen femininen, sexgranatigen "Wrecking ball" hält und dabei weder bestehende Wände einreißt, noch besonders auffällt in der sexualisierten Mainstream-Landschaft, allerdings die Peinlichkeits- und Fremdschamschraube ordentlich andreht, singt die Ortega über verlorene Künstler-Existenzen, von denen es eine Unmenge da draußen gibt, deren soziale sowie musikalische Berechtigung höher angesiedelt ist, als es der goldene Stern Cyrus' in jeglichem Medientrubel werden kann: "Well we don't got fame, no name in lies, no billboard hits, no sold out nights [...] Like an old tin star, I'm beat up and rusty". Die Welt gehört abseits roter Teppiche, die durch ertragreiche Marktverältnisse zu ihrer strahlenden Farbe gelangen und des neoliberalen Kapitalismus, den allein auf dem künstlerischen Können krepierenden gebrochenen und unbeachteten Herzen. "Tin star" ist für Ortega die Erinnerung an all die Jahre harter Arbeit und Kampf in dem von maskulinen Werten verpesteten, politisch inkorrekten Country-Realismus der Hillbillie-Traditionalisten.

Die dunkleren Töne des Lebens prägen demgemäß "Tin star" deutlich. "I want you" exploriert die Schattenseiten menschlicher Beziehungen und fragt, wie weit jemand gehen kann, um zu bekommen, was er/sie sich erwünscht. Das verdüsterte, vollends abgehangene Katergefühl von "Hard as this" zeigt, wie die heteropaarfixierten Ideologien des althergebrachten Nashville-Country mit der Zeitlupen-Geschwindigkeit eines phallischen Traktors gegen die Wand gefahren werden können: was passiert, wenn die gerne vertonte Liebesbeziehung zwischen guten und gottesfürchtigen Tennessee-Männlein- und Weiblein am Ende doch zerbricht, weil alles, was Liebe definiert, schlicht nicht ausreicht und eine der beiden Parteien wie eine hohle Schaufensterpuppe zurückbleibt, nachdem diese emotional ausgesaugt wurde?

Das Schwarzhumorige blitzt in Ortegas Musik immer wieder böse lachend auf und zeigt Zähne. Die Hand, die füttert, muss einfach gebissen oder der muffige alte Männerstring abgerissen werden, um zu präsentieren, was für verkorkste kleine Würstchen sich hinter der schicken Verpackung verbergen. "Lost in the shining skies of Nashville Tennessee, well I wrote this song for those who are like me, lost in the shining stars, the shining stars". Eine Konzession an die eigene Schwäche? Wohl kaum. Country kann also doch eine Waffe sein. Oder einfach wie guter Hardcore.

(Peter Somogyi)

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Highlights

  • Tin star
  • Lived and died alone
  • I want you

Tracklist

  1. Hard as this
  2. Gypsi child
  3. Tin star
  4. Voodoo mama
  5. Lived and died alone
  6. I want you
  7. This is not surreal
  8. Something for you
  9. All these cats
  10. Waitin' on my luck to change
  11. Songs about

Gesamtspielzeit: 34:01 min.

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