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Superchunk - I hate music

Superchunk- I hate music

Merge / Cargo
VÖ: 23.08.2013

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Alles, was sie braucht

Laura Ballance liebt Musik. Die Gefühle, die sie in ihr hervorruft. Den Moment, wenn sie ihre Bassgitarre zupft und alles vibriert. Das Endorphin, das sie erfüllt, das schier endlos ist, wie aus einem Jungbrunnen, der nie versiegt. Auf der neuen Platte von Laura Ballances Band Superchunk befindet sich ein Stück, bei dem sie die Saiten ihrer Bassgitarre bei den Aufnahmen mindestens Purzelbäume schlagen lassen musste. Vielleicht noch etwas viel Gefährlicheres. Es heißt "Staying home", hält kaum eine Minute durch und ist eigentlich viel zu ruppig, um noch Popmusik zu sein. Es ist aber auch zu ansteckend, um schon Punkmusik zu sein. Man kann sich Laura Ballance vorstellen, wie sie auf der Tour zur Platte auf der Bühne steht, um es anzutreiben: immer mit einem Lächeln auf ihren Schmoll-Lippen. Wie sie auch mit Mitte Vierzig mit jedem Beat auf- und abhüpft wie mit Anfang Zwanzig. Die Haare flattern ihr wild ins Gesicht, die Bassgitarre schlackert ihr um die schmalen Hüften. Und alles droht zu bersten wie damals 2008 beim Auftritt von Superchunk mit Arcade Fire für Barack Obama: ihr Körper, der Song, ihre Gefühle. Es ist Laura Ballance egal. Weil sie weiß, dass sie gerade das Großartigste auf der Welt erlebt. Indes, es bleibt beim Kopfkino: Im Mai 2013 gaben Superchunk bekannt, dass Laura Ballance nicht touren wird, vielleicht nie wieder touren wird. Die bisherigen Konzerte ihrer Sommertour haben Superchunk bereits ohne sie gespielt, die restlichen werden folgen. Denn: Laura Ballance leidet an Hyperakusis, einer Krankheit, die Ohren überempfindlich gegen Schall macht. Laura Ballance muss untröstlich sein. Musikfans, die sich die Songs von "I hate music" anhören, werden sie verstehen.

Moment: "I hate music"? Das kann nicht sein. Noch immer ist die Stimme von Sänger und Gitarrist Mac McCaughan immer wieder keine Viertel-Oktave vorm Vornüberkippen, wenn er die Zeilen seiner Texte mit "Ooooh", "Aaaaah" oder einem unwiderstehlichen "Bab-bab-bab-da-da-dab" verziert und verbindet. Noch immer kreischt, gniedelt und rebelliert seine Sologitarre spätestens nach zwei Mal Strophe und Refrain in die Songs herein, als probe sie einen kleinen Aufstand gegen all die schönen Harmonien. Und noch immer klingen Superchunk wie die Band, die wie von einem 90er-Mixtape gepurzelt ist. Einem Tape, auf dem Sebadoh, Dinosaur Jr. , die Lemonheads und Pixies gemeinsame Sache machen. In "Trees of Barcelona" viervierteln sie meisterlich auf einen Refrain zu, der mehrstimmig harmoniert – und das eindeutig besser als die meisten Nachbarschafts-Beziehungen. Es ist ein Refrain, der aus einer Zeit zu stammen scheint, als unsere größten Sorgen Pickel im Gesicht waren und in der Pavements "Range life"-Single ihre erste Runden auf dem Kanal VIVA TV drehte. Zudem: Der Powerchord-Stresstest in Sonnenschein-Dur "FOH" wäre 1994 ein echter Hit im amerikanischen Collegeradio gewesen, man beachte bitte den Konjunktiv. Und: Die Riffs in "Your theme" sind eigentlich viel zu lässig aus dem Hemdsärmel gespielt, um im Zeitalter von Plastikmusik, Pilzrahmsuppe aus der Dose und maximaler Überwachung entstanden zu sein.

Erst wer genauer hinhört, wer sich durch Songs und Zeilen wühlt und sich nicht an der Nase herumführen lässt von herzergreifendem Pop-Punk, wird eine andere Seite von "I hate music" entdecken. In "What can we do" singt McCaughan: "I’ve got wrinkles around my eyes / I’ll say I love you / I won’t say goodbye". Er tut das in einem Stück mit für Superchunk epischer Überlänge von gut sechs Minuten. Sechs Minuten, in denen Superchunk immer wieder versuchen, eine Vergangenheit einzuholen, die sie während all der wunderbaren Musik, all der Arbeit daran, fast verpasst hätten. Es bleibt beim Versuch. "I hate music / What is it worth / Can't bring anyone back to this Earth", lamentierte McCaughan schon lange vorher in "Me & you & Jackie Mittoo". Es ist der zweite Song auf "I hate music", und es ist die erste Zeile davon. Die erste! Gelegenheitsleser und Zugereiste müssen wissen: McCaughan und Laura Ballance spielen gemeinsam nicht nur bei Superchunk, sondern betreiben auch das Label Merge Records, das unter anderem Platten von Arcade Fire, Lambchop oder Dinosaur Jr. betreut, und Schlagzeuger Jon Wurster macht nebenbei Folk bei The Mountain Goats. Etwas anderes als Musik kommt den meisten Mitgliedern von Superchunk also überhaupt nicht in die Tüte. Keine Chance, no way, never ever. Mit Mitte bis Ende Vierzig reflektieren Superchunk zum ersten Mal wirklich selbst: über ihr Leben, über die Musik, über Songs, die trotzdem keine verstorbenen Freunde zurückbringen werden. "I hate music" also – aber natürlich im Grunde nicht so richtig. Alte Liebe aufwärmen oder warmhalten wird diese Platte erst recht nicht. Außer der Liebe von Laura Ballance zur Musik, und die braucht es jetzt mehr denn je. Das ist die schlechte Nachricht hinter diesem Album. Die gute ist: Laura Ballance ist nicht die einzige, die "I hate music" brauchen sollte.

(Sven Cadario)

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Highlights

  • Overflows
  • Trees of Barcelona
  • FOH

Tracklist

  1. Overflows
  2. Me & you & Jackie Mittoo
  3. Void
  4. Staying home
  5. Low F
  6. Trees of Barcelona
  7. Breaking down
  8. Out of the sun
  9. Your theme
  10. FOH
  11. What can we do

Gesamtspielzeit: 43:18 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
fakeboy
2017-10-23 14:19:47 Uhr
Sowohl "Break The Glass" wie auch schon das früher im Jahr veröffentlichte "I Got Cut" machen Lust auf mehr! Hoffe es kommt bald ein neues Album...

Robert G. Blume

Postings: 898

Registriert seit 07.06.2015

2017-10-23 10:25:34 Uhr
Oh, also doch ein Cover :D
Nur nicht der Tears For Fears-Song.
Ralf79
2017-10-20 18:48:48 Uhr
+++ Superchunk haben eine limitierte Seven-Inch für einen wohltätigen Zweck angekündigt. Alle Einnahmen der Single kommen dem Southern Poverty Law Center zu Gute. Die gemeinnützige US-amerikanische Organisation setzt sich für Toleranz und der Förderung von Bürgerrechten und gegen Rassismus ein. Auf dieser ist neben dem Corrosion Of Conformity-Cover "Mad World" der neue Song "Break The Glass" enthalten. Mit Pop-Punk-Sound, Oho-Oho-Chören und eingängigen Melodien lädt der Track zum Tanzen und Mitsingen ein. Die B-Seite "Mad World" orientiert sich an dem Original und ist ein schneller, wütender Hardcore-Song. Bereits im Sommer hatten Superchunk eine Seven-Inch veröffentlicht, deren Erlös wohltätigen Organisationen zu Gute kam.

Robert G. Blume

Postings: 898

Registriert seit 07.06.2015

2017-10-20 17:21:24 Uhr
Heute sind zwei neue Superchunk-Songs namens Break the Glass und Mad World (kein Cover!) auf Spotify erschienen. Letzteres ist ganz schön punkig.
!!!!!!!!!!!!!!!
2014-01-05 18:17:30 Uhr
Me & You & Jackie Mittoo <3<3<3<3<3<3<3<3
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