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Mäuse - Das Judasevangelium

Mäuse- Das Judasevangelium

Vienna Wildstyle / Monkey / Rough Trade
VÖ: 12.07.2013

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Keinen Faden ab

Jeder muss seine Brötchen verdienen. Auch Tex Rubinowitz. Der Wahl-Wiener tut das als Zeichner, Schriftsteller und Journalist. Da trifft es sich gut, dass er unlängst sogenannte "Brötchen-Listen" erstellte, die eine Bäckerei auf ihren Tüten abdruckte, damit die Käufer etwas zu lesen haben. Ein Thema lautete "Was sich Psychiater während der Therapiesitzung so für Notizen machen" – und der Aufschrei war groß. Schließlich werde dadurch nicht nur einem Berufsstand, sondern auch der gesellschaftlichen Akzeptanz eines immer noch verpönten Krankheitsbildes irreparabler Schaden zugefügt. Rubinowitz schüttelte den Kopf, wies kurz darauf hin, dass auch Psychiater und deren Patienten ein Recht darauf haben, verarscht zu werden und wandte sich dann anderen Dingen zu. Unter anderem seinem Duo Mäuse.

Dieses hatte er schon in den Neunzigern zusammen mit Patrick-Pulsinger-Kumpel Gerhard Potuznik gegründet, um etwa auf dem Album "Teen Riot Günther Strackture" mit elektronischem Allerlei zwischen Dada und gaga gleichsam zu amüsieren und zu verstören. 16 Jahre später haben Mäuse analogem Gedengel und minimalistischen Synthie-Beats weitgehend abgeschworen und operieren nun im Bandformat. Einige Dinge ändern sich bei den beiden und ihren neu hinzugestoßenen Live-Musikern jedoch offenbar nie. Zum Beispiel Rubinowitz' verhallter Un-Gesang, der oft als Schrei im Echokanal verschwindet. Oder haarsträubende textliche Einlassungen wie "Eine Soße ohne Dill ist wie eine Soße mit Dill, nur ohne Dill" im formidablen Schlepp-Garagenrocker "Il Pullover". Denn merke: Natürlich hat auch der Hörer ein Recht darauf, verarscht zu werden.

In einer Urversion fand sich der Song bereits auf dem 1994er Debüt "John Lennon beim Betreten einer Bar in New York" – ein gigantischer Flop mit seinerzeit genau 171 Käufern. Ob es diesmal mehr werden? Das wünscht man Mäuse spätestens, wenn sich bei "Nichts ist besser als gar nichts" Die Türen und Violent Femmes bassgetrieben um den Job als Nachlassverwalter von Joy Division im Hartz-IV-Zeitalter streiten. Also von Anfang an. "Der Hammer in der Hand des Idioten" packt dann funky Licks in den Blecheimer und lässt offen, ob es um tollpatschige Heimwerker oder doch um unbegabte Serienmörder geht. Fest steht eigentlich nur: Richtiggehende Produktion ist bei diesen grob verzerrten Rocksongs aus der Mietnomadenwohnung nebenan nur notwendiges Übel. Da beißen, pardon, die Mäuse keinen Faden ab. Und das ist ausnahmsweise gut so.

Es schadet nicht einmal, dass Rubinowitz und Potuznik gelegentlich in alte Muster verfallen – davon legen die rezitierte Todesanzeige im tolldreist betitelten "In der Schlichtheit liegt der verdorrte Pomp" oder das unheilvolle No-Wave-Gekokel "Adam und Barbora" erschütternd Zeugnis ab. Es handelt sich vielmehr um Brüche, die dieses abenteuerliche Album genauso ausmachen wie der karikierte Classic-Rocker "Schreib es mir in den Sand" oder das Dinosaur-Jr.-Gejaule im Stampfer "Sandpapier". Absicht? Rubinowitz zuckt erneut mit den Schultern stößt ein gleichgültiges "Der Brummbär im Wald / Den kümmert das nicht" aus. Recht hat er. Und auch Hans Unstern möge sich bitte abregen und nicht dauernd "Ich schäme mich / Für mich schämen sich sogar die Mäuse" rufen. Denn die haben zumindest auf "Das Judasevangelium" sehr viel Besseres zu tun.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Nichts ist besser als gar nichts
  • Il Pullover
  • Der Hammer in der Hand des Idioten
  • Sandpapier

Tracklist

  1. Nichts ist besser als gar nichts
  2. Il Pullover
  3. Der Hammer in der Hand des Idioten
  4. Einer von ihnen
  5. Adam und Barbora
  6. Schreib es mir in den Sand
  7. Ich weine lieber im Taxi als im Bus
  8. Herbst auf Heroin
  9. In der Schlichtheit liegt der verdorrte Pomp
  10. Der Brummbär
  11. Sandpapier
  12. Sie kommt aus Sibirien

Gesamtspielzeit: 44:24 min.

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