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Bosnian Rainbows - Bosnian Rainbows

Bosnian Rainbows- Bosnian Rainbows

Clouds Hill / Rough Trade
VÖ: 28.06.2013

Unsere Bewertung: 9/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Demokratie für alle!

Der neueste Hit für Berufszyniker und Anhänger des schwarzen bis pietätlosen Humors: Das Dikatorenquartett – Hitler sticht Stalin, sticht Mao. Gäbe es solch ein Kartenspiel für die Tyrannen des Musikbusiness' (und das möge man jetzt BITTE nicht als Hitler-Vergleich interpretieren), die traditionell stärkste Karte A1 gebührte Omar Rodriguez-Lopez – Cedric Bixler-Zavala kann ein Lied davon singen. Kaum einer hat in den letzten beiden Jahrzehnten seine Alleinherrschaft in diversen Bands nachdrücklicher untermauert als der Puerto-Ricaner. Nach der schon fast wieder abgeblasenen Reunion von At The Drive-In und dem Ende von The Mars Volta geht Rodriguez-Lopez nunmehr mit seiner neuen Band Bosnian Rainbows an den Start. Fragen zu seiner musikalischen Vergangenheit schiebt Rodriguez-Lopez seither sofort einen Riegel vor: "Befragt mich bloß nicht zu irgendeiner anderen Band und ob diese auf Tour geht. Das hier ist meine neue Band und darauf konzentrieren wir uns jetzt einzig und allein" – Halt bloß die Fresse mit dem Thema, sonst wirst Du heute noch standrechtlich erschossen. Okay, besser sofort auf die Knie fallen. Der Typ hat schon etwas Beängstigendes.

Live hat das Quartett schon für ordentlich Überschwang gesorgt. Das schamanische bis hysterische Auftreten von Leadsängerin Teri Gender Bender verdient jetzt schon Kultstatus. Andere, teilweise völlig genrefremde Künstler wie Turbostaats Bassmaschine Torbert Knopp schwärmen vom Debütalbum der Texaner. Er muss es wissen; "Stadt der Angst" wurde zeitgleich in den Clouds Hill Studios in Hamburg aufgenommen. Was The Mars Volta an vertrackten, bisweilen schier prekären Ausgestaltungen mitbrachte, übernehmen Bosnian Rainbows und erweitern es um das Element der Eingängigkeit – die Songs kommen schneller zum Punkt, bleiben aber indes weiter kaum zu greifen. Dieser Facettenreichtum begegnet lockrufend, köstlich aufbereitet und mit freundlichem Gesicht, der wahnhaft-feinsinnige, ätherisch-ausufernde Gesang wirkt sirenenhaft-verführerisch und zieht in seinen unumgänglichen Bann, bis eine tranceartige Freudenstarre Einzug hält, aus der es so schnell kein Entrinnen mehr gibt. So entfesselt sich ein überwältigender Energieschwall, wie er unter Rodriguez-Lopez' Beteiligung seit "De-loused in the comatorium" nicht mehr zur Entfaltung kam.

"Turtle neck" ist wohl das beste Beispiel für ein solch energisches Aufblühen innerhalb eines Tracks: ein nachdenklich-idyllisscher Popsong, untermalt von Engelschören und kurzen trügerisch-dissonanten Gitarrensounds, verliert mit einem Mal seine Form, öffnet blindwütig sein scharfzahniges Löwenmaul und lässt seine Dämonen entfahren. Das großartige "The eye fell in love" begeht den beschriebenen Weg vice versa, schreitet mit der sich anbahnenden Liebschaft vom Düsteren ist Helle. "The eye fell in love / With the letter 'S' /... / With the letter 'O' / ... / With the letter 'U' / ... / With the letter 'L'" beschreibt das Anbahnen einer Seelenwandwandtschaft, welche in sich ultimativ-zweisamer Entzückung entlädt, wenn die Orgel vom Moll ins Dur schwenkt und die Gitarre den Takt des Liebesrauschs adaptiert. Von sozialunterfütterter Entgleisung erzählt auch "I cry for you", welches sich im Ärgneris der Unerfülltheit entflammt und voller Vorwurf herauskreischt, wie das Gefühl tiefer Trauer den Protagonisten verzehrt: "It makes my bones grow lonely / And then I cry for you." Spektakulär endet das Stück inmitten eines piepsig-sphärischen bis infernalen, triefend-pathosgetränkten Synthie- und Gitarrengewitters. Das fabelhafte "Torn maps" hingegen bleibt weitestgehend ruhig und erinnert dabei phasenweise an Modest Mouse. Der Titel berichtet im wandernden Rhytmus utopisch-optimistisch vom Ende aller Lügen, bis sodann Rodriguez-Lopez mit einem seiner ausufernden Gitarren-Soli einsetzt und die Zügel nicht mehr aus der Hand gibt.

Bei Bosnian Rainbows ist alles anders als bisher: Rodriguez-Lopez tritt von seiner angestammten wie umstrittenen Rolle als unbarmherziger Bandführer zurück und mimt den waschechten Demokraten. Spür- und hörbare Synergien innerhalb des Vierergespanns zeugen davon. Die Einflüsse voneinander-zueiander lässt Rodriguez-Lopez scheinbar freiwillig zu, ordnet höchstens das Durcheinander und transformiert es ins progressiv-kulminative Miteinander. So entsteht sausend-brausender Psychedelic Pop, destilliert aus einer Tinktur von Post-Punk, New Wave und Synthie-Pop. Das Album lebt von seiner Vielzahl an Höhepunkten, die derart engmaschig gesetzt sind, dass die Platte wie ein ununterbrochener, mit Finessen gespickter, spektralfarbig aufgemachter, freilebig zügelloser Höhenflug erscheint. Etwas Derartiges gelingt kaum im Rahmen einer Schreckensherrschaft – das scheint nunmehr auch Rodriguez-Lopez eingesehen zu haben. Solch eine Erkenntnis wünschte man gerade derzeit auch den weniger musikalischen Despoten-Konsorten.

(Pascal Bremmer)

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Highlights

  • Eli
  • Worthless
  • The eye fell in love
  • I cry for you
  • Torn Maps
  • Turtle neck

Tracklist

  1. Eli
  2. Worthless
  3. Dig right in me
  4. The eye fell in love
  5. I cry for you
  6. Morning sickness
  7. Torn maps
  8. Turtle neck
  9. Always on the run
  10. Red
  11. Mother, father, set us free

Gesamtspielzeit: 48:54 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
du
2016-08-26 11:53:23 Uhr
zweites Album wurde geleakt

derdiedas

Postings: 766

Registriert seit 07.01.2016

2016-08-19 11:36:42 Uhr
cool, kannte ich noch gar nicht
du
2016-08-19 09:57:59 Uhr
Le Naranja (Unreleased song from LP2 circa 2014): http://picosong.com/DrK6/

Demon Cleaner

User und Moderator

Postings: 5646

Registriert seit 15.05.2013

2016-08-14 18:33:06 Uhr
Ach so, nicht zu vergessen die neue ("Blind Worms, Pious Swine"). Da ist Teri recht prominent in den Backing Vocals und der Stil ist auch nicht zu weit weg.

Affengitarre

User und News-Scout

Postings: 10783

Registriert seit 23.07.2014

2016-08-14 18:07:26 Uhr
Hat halt einen ganz anderen Stil. Sehr elektronisch und sperrig, wobei das Cover gsnz geil ist. Wenn du willst, kannst du ja in "People Feeding" reinhören. Einer der normaleren Stücke, gibt aber das allgemeine Soundbild ganz gut wieder.
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