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Fiction - The big other

Fiction- The big other

Moshi Moshi / Cooperative / Universal
VÖ: 01.03.2013

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Tanzen zu Architektur

Ein kluges Zitat, das diversen Musikern als Urheber in den Mund gelegt wird, lautet: "Writing about music is like dancing about architecture - it's a really stupid thing to want to do." Vermutlich stammte es in diesem Wortlaut aus dem Mund von Elvis Costello. Aber was tun, wenn Musik klingt wie Architektur? Wenn geometrische Formen klanglich ineinandergreifen, sich verklammern, Formen bilden? Dann heißt es, tatsächlich zu Architektur zu tanzen. Und wir können wieder unbesorgt über Musik sprechen.

Fiction ist ein Quartett irgendwo aus dem Gewirr Londons, und ihr Debüt klingt britischer als die Insel selbst. Wen wundert es da, wenn jemand wie James Ford die Tüftlergriffel an den Reglern hatte, der mit genialer Gehirnohrfinger-Kombinatorik schon englischen Bands wie den Arctic Monkeys oder Florence And The Machine in ihr musikalisches Korsett half? Da sind die Debütanten in den besten Händen. Bekanntlich sitzt eng ja besser. Dies bestätigt auch der Höreindruck von "The big other": Hier kommt viel zusammen. Ein Potpourri aus allen Himmelsrichtungen und so vielen Baulagern, dass es einem schwindelt. Dabei passt alles mit der Präzision eines Uhrwerks zusammen und ist besser abgemessen als der gegelte Seitenscheitel von Paul Smith. Beängstigend, so was. Mischt sich hier eine ungehörige Portion Kosmopolitentum mit Intellektualität, die nach Geometriedreieck und Zahlenmaß-Pendanterie klingt?

Alles richtig. Allerdings beeindrucken die Briten mit ihrem musikalischen Malen nach Zahlen. Als hätten junge Großstädter den Soundtrack zum architektonischen Grundrissplan des Swiss-Re-Tower geschrieben. Was als Bauwerk den Eindruck einer gigantischen Essiggurke macht, entpuppt sich in der musikalischen Adaptation weniger als witzig denn als schlicht faszinierende Konzentration auf atomisierte Kleinteiligkeit, die mit Anleihen bei Arcade Fire, David Bowie, Joy Division und David Byrne sowie den Talking Heads zusammenkomponiert wurde. Den vieren gelingt dabei das Kunststück, nicht als schlechte Epigonen daherzukommen, sondern höchst eigenständig klingenden Eklektizismus zu betreiben. Das ist wiederum Kunst.

Hier spielt Musik aus vier musikalisch bewanderten Köpfen für musikalische Köpfe. "Parting gesture" steigt schon mit Postpunk, New Wave und Indie in die Fußstapfen der Großen und klettert gekonnt auf deren Rücken, um ihnen auf dem Kopf herumzutanzen, der beim stampfenden Drum-Einstieg wie der eines ausgebleichten Wackeldackels mitwippt. Denn Fiction euphorisieren mit intelligenter Tanzmusik. Es ist wohl nicht zu hoch gegriffen, wenn man behauptet, dass "The big other" endlich die leidige Franz-Ferdinandisierung britischer Musik abschafft und diese Band das Zeug dazu hat, besagte Glasgower Vorgänger in den wohlverdienten Ruhestand auf die Müllkippe der Musikgeschichte zu befördern. Schließlich reißt Jake Bugg, der Shooting Star am britischen Hypehimmel, das Maul ja auch weit auf. Dagegen glänzen Fiction (noch) mit dezentem Understatement und minutiös nerdigem, in Filigranität und schlichter Schönheit eingehendem Pop. Ein Revival der alten Form, allerdings ohne Wehwehchen. Hier darf die pure Vernunft gern siegen. Das steigert denn auch den Spaß, zu Architektur zu tanzen.

(Peter Somogyi)

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Highlights

  • Parting gesture
  • Museum
  • See me walk

Tracklist

  1. Parting gesture
  2. Careful
  3. Museum
  4. Big things
  5. Step ahead
  6. See me walk
  7. Be clear
  8. Mirror box
  9. Vertigo in bed
  10. To stick to
  11. The apple

Gesamtspielzeit: 38:57 min.

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