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Glaubst du an den lieben Gott?

User Beitrag
Kamm
16.06.2012 - 05:58 Uhr
@Phaon
Darf man fragen, was für einer Arbeit du nachgehst, wenn du erst um 1 Uhr Nachts damit fertig wirst? Das klingt irgendwie ausbeuterisch. Ich hab mal selber fünf Jahre in einem Betrieb gearbeitet, wo solche Arbeitszeiten vorkamen, und das auch noch unbezahlt. Jetzt bin ich allerdings froh, Student zu sein. :p Ebenfalls danke für den Aufwand, mal sehen, was mir dazu einfällt.

Zu I.)
Ich frage mich gerade, ob die, die du christliche Fundamentalisten nennst, für mich nicht einfach Christen sind, und die ebenfalls von dir erwähnten "Traditionschristen" Leute, die irgendwelche ungerichteten religiösen Gefühle haben, die halt zufällig (durch Sozialisation) durch die Kirche bedient werden, oder, wie Sattgrün sie nennt, gedankenlose Menschen. Wobei gedankenlos vielleicht etwas hart ist. So gesehen ist es mir relativ egal, wenn solche Leute immer weniger werden und dann eben konsequent zum Atheismus wechseln, da sie sowieso nie geglaubt haben. Obwohl es mir natürlich, im Gegensatz zu dir, lieber wäre, wenn sie statt dessen wirklich glauben könnten. Dass sie aber als Atheisten ein freieres Leben führen könnten, als unter der Fuchtel der Kirche, das halte ich durchaus für möglich, oder sogar wahrscheinlich.
Ich habe übrigens weder behauptet, dass die Wahl der Religion ausschließlich nach persönlichen Gesichtspunkten verläuft, noch, dass die Sozialisation überhaupt nicht wichtig ist. Was ich nur sagen wollte ist, dass man nur durch einen bewussten, persönlichen Schritt Christ werden kann, das gilt für mich, für dich, für die Menschen im Iran und für alle anderen, die die sogenannte Botschaft des Christentums schon mal irgendwo gehört haben. Es geht darum einzusehen, dass man vor Gott nicht bestehen kann und deshalb die stellvertretende Sündenvergebung durch Jesus nötig hat. Nur noch mal zur Erinnerung, worum es überhaupt geht. ;)
Zum Iran: Es gehört zu den fünf Ländern der Welt mit der stärksten Christenverfolgung. Es gibt dort ca. 460000 Christen, wovon mehr als drei Viertel ehemalige Muslime sind. Der Rest gehört größtenteils zu der von der Regierung anerkannten religiösen Minderheit der armenischen und assyrischen Christen. Immerhin kann man hier davon ausgehen, dass es sich ausschließlich um "echte" Christen handelt. Und man darf auch nicht vergessen, dass sehr viele Christen aus dem Land geflohen sind, zunächst mit der Machtergreifung Ayatollah Chomeinis ab 1979 und dann noch mal ab 2005 mit der von Mahmud Ahmadinedschad bis heute. Trotz erschwerter Bedingungen bleibt die Entscheidung aber die gleiche. Ich bin mir auch gar nicht so sicher, ob die Entscheidung an sich in den Einzelfällen wirklich maßgeblich schwerer ist. Ob ich in eine muslimische Familie hineingeboren werde, in eine atheistische oder eine traditionschristliche - in allen Fällen wird meine Sozialisation entgegenwirken, mich zum Christentum zu bekehren. Na ja, so viel zum Iran und deiner Aussage, dass es nur in modernen Gesellschaften möglich ist, die Religion zu ändern; das muss schon ein bisschen relativiert werden, obwohl ich die Schwierigkeit des Themas natürlich sehe. Ich glaube übrigens an einen gnädigen Gott und möchte nicht ausschließen, dass es für Mitglieder einer iranischen muslimischen Familie reicht, wenn sie sich bekehren möchten, sich aber aus bekannten Gründen nicht trauen.
Übrigens glaube ich nicht, dass du im Mittelalter als Atheist von "christlichen Mitmenschen" auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden wärst. Jemand, der so etwas machen würde, könnte kein Christ sein, da sein Handeln im krassen Gegensatz zur christlichen Lehre stünde.

Zu II.)
Es geht mir zwar auch um Schönheit, aber mindestens ebenso um solche Dinge wie Funktionalität und Zielgerichtetheit, meinetwegen anhand solcher Dinge wie dem anthropischen Prinzip. Und nicht vergessen: Ich hatte nicht die Absicht, dich zu überzeugen, sondern wollte nur darlegen, was unter anderem meine Beweggründe zum Glauben sind. Wobei ich damit nicht sagen möchte, dass ich an dieser Stelle nicht auch wissenschaftliche Argumente berücksichtige. Ich bin ja nicht so naiv und denke beim Betrachten eines Blümchens auf ner Wiese: "Oooh, wie schön! Es muss einen Gott geben!" Schließlich können auch Menschen (und sogar Atheisten!) sehr schöne Dinge erschaffen. Was ich aber dann doch denke, ist beispielsweise etwas wie: "Wie kann es sein, dass hier eine Pflanze nicht nur für sich selbst funktional ist, sondern auch noch ihren Platz innerhalb eines unglaublich komplexen Ökosystems hat und noch dazu schön aussieht, obwohl doch der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, immerhin ein Naturgesetz, besagt, dass jedes System, wenn es sich selbst überlassen wird, zur Unordnung und sogar zur Selbstzerstörung strebt?" Für mich als Christ ist Gott bei solchen Fragen nie besonders weit entfernt.

Zu III.)
Ich glaube nicht, dass Gott sich auf deine Bedingungen für die Bestätigung eines Wunders einlassen wird. Zumindest kenne ich ihn nicht als den Gott des Kuhhandels. :P Außerdem muss ich zugeben, dass mir persönlich der Aufwand da etwas zu hoch wäre, mein missionarischer Eifer hält sich da doch in überschaubaren Grenzen. Was ich spontan anzubieten hätte: Eine gute Bekannte von mir, eine Mutter von vier Kindern, die eine schwere Blutvergiftung hatte, was dazu führte, dass Teile des Körpers nekrotisiert waren und sich die Organe nach und nach verabschiedeten. Irgendwann haben die Ärzte dann aufgegeben und ihr keine Überlebenschance mehr eingeräumt. Überlebt hat sie trotzdem, unter Verlust eines Armes. Die Ärzte sprechen da von einem medizinischen Wunder und können sich das nicht erklären. Aber mir ist schon klar: Was ich als ein Wunder bezeichnen würde, wären für dich wahrscheinlich nur irgendwelche Vorgänge, die nach dem heutigen Stand der Wissenschaft noch nicht erforscht wurden.

Zur Entrückung: Ja, es gab immer wieder Leute, die irgendeine Entrückung vorausgesagt haben wollten, und die natürlich damit auf die Schnauze gefallen sind, einfach schon aus dem Grund, weil die Bibel an sich keine oder nur sehr vage Informationen darüber liefert. An einer Stelle heißt es, dass keiner den Tag und die Stunde wissen wird; in der teils blumigen Sprache der Bibel heißt das so viel wie: Man weiß es gar nicht. Ich wüsste aber nicht, warum ich deshalb in irgend eine Panik oder Verzweiflung fallen sollte, ich bin durchaus sehr entspannt. Ob die Entrückung in 20, 50, oder 500 Jahren eintritt ist mir relativ egal, sterben muss ich sowieso. Mal ehrlich: Wenn man schon daran glaubt, dass Gott auf unsere Erde gekommen ist (durch Jesus halt), dann ist es nicht verrückter zu glauben, dass es andersrum auch möglich ist, also als Mensch in den Himmel zu kommen. Darum gehts ja eigentlich sogar. Und warum sollte Gott, falls es ihn gibt, nicht einen Zeitpunkt festsetzen, an dem er sagt: "So, bevor sich die Menschheit selbst ins Nirvana bombt, ziehe ich einen vorläufigen Schlussstrich und lasse danach die Dinge etwas anders laufen."?

Kleiner Einschub, @Sattgrün:
Nee, mit den 144000 Gerechten hat das nicht viel zu tun. Ich bin zwar kein Experte in dieses Dingen, aber laut der biblischen Heilsgeschichte kommen die erst später, also nach der Entrückung, und setzen sich außerdem aus Mitgliedern der verschiedenen jüd.ischen Stämme zusammen. Wie es da die Angehörigen einer gewissen Religionsgemeinschaft schaffen, das auf sich zu beziehen, ist mir unverständlich. Für die, dies nachlesen wollen: Das mit den 144000 steht in Offenbarung 7, das mit der Entrückung unter anderem im 1. Tessalonicherbrief 4, 13 - 18. Vor dem letzten Buch der Bibel möchte ich aber warnen, das ist teilweise ziemlich strange, auch für mich.

Zu IV.)
Du mit deinem Mittelalter. ;) Aber du hast schon recht: Das, was da ideologisch ablief, war großer Bullshit. Meiner Meinung nach hatte das aber wenig mit christlicher Ideologie zu tun, sondern viel eher mit einer politisch motivierten Ideologie der katholischen Kirche. Zwei ganz unterschiedliche Dinge. Deshalb brauchte es auch einen Martin Luther (so streitbar diese Person auch ist), um überhaupt mal wieder was christliches in die Köpfe der Leute zu bekommen. Meiner Meinung nach nicht zum Nachteil.
Ich muss ja zugeben, dass sich deine Schlussfolgerungen recht logisch anhören. Aber logisch bedeutet nicht automatisch wahr. Zeig mir einen Menschen, der ausschließlich logisch handelt. Ich finde es zum Beispiel ebenso logisch, wenn ich behaupte:
"Da das Leben mit dem Tod vorbei ist, und danach nichts mehr kommt, es keine Konsequenz oder Gerechtigkeit darüber hinaus gibt, ist man in diesem Leben dazu verdammt, das beste für sich herauszuholen. Rote Karte wegen unfairem Verhalten? Scheiß drauf, ein nächstes Spiel gibt es schließlich nicht, für das ich gesperrt werden könnte."
Oder, auch wieder in der Fußball-Analogie: "Wie jetzt, sobald das Spiel vorbei ist, bekomme ich den Pokal in die Hand gedrückt, und dann wars das, Ausblende? Danach kommt nichts mehr? Das ist mir zu banal, dafür lohnt sich die Mühe doch nicht."
Mir würden wahrscheinlich noch mehrere Konzepte einfallen, die alle mehr oder weniger logisch wären. Was ich deinem nur entgegensetzen kann: Ich kenne keine Christen, die lethargisch auf das nächste Leben warten. Auf die meisten trifft sogar eher das Gegenteil zu. Aktive, fleißige Leute (manchmal zu fleißig, meiner Meinung nach. Faules Studentenpack :P), die wie alle anderen essen, trinken, vögeln, feiern gehn, Kultur genießen und sich oft sozial einsetzen. Wie ich schon mal geschrieben habe: In der Bibel geht es nur zu einem ganz kleinen Teil um solche Sachen wie Entrückung oder Ewigkeit. Der Fokus liegt ganz klar im Diesseits und wie man es sinnvoll füllen kann.

Zu V.)
Um die Frage zu deiner Zufriedenheit zu beantworten: Jein. :D
Echt jetzt, dräng mich doch nicht so in die Extreme und lass mir meinen Pragmatismus in der Sache! Wir wissen ja alle, dass das eines der anscheinend schwersten Themen im Christentum darstellt. Na ja, zumindest bietet es einen guten Aufhänger.
Ich sehe das jedenfalls so: Da es wohl in der Bibel Aussagen darüber gibt, die darauf schließen lassen, dass Gott nicht so der Fan von Homos.exualität ist, muss ich das wohl oder übel erst mal so akzeptieren. Das fällt dann wohl unter Sünde. Und was muss ich da außerdem lesen? Dass jeder Mensch sündig ist. Ich zum Beispiel bin ein Lügner. Auch als Christ lüge ich noch oft genug. Heißt das, dass Gott nichts mehr mit mir zu tun haben will? Nein, eben deshalb, weil ich so bin, wie ich bin, habe ich die ganze Sache mit Jesus überhaupt nötig. Ich bin ja als Christ nicht besser als alle anderen. Und jetzt die Anwendung auf Homose.xualität: Die sind auch nicht (moralisch) besser oder schlechter als ich. Das gleiche in grün. Ich kenne ehemalige Homose.xuelle, die nach ihrer Bekehrung tatsächlich ihre Se.xualität gewechselt haben und glücklich damit sind, aber ich weiß auch ebenso von Christen, wo sich dahingehend nichts geändert hat. Anscheinend ist es also nicht zwingend notwendig, etwas zu ändern.
So, das war die geistliche/theologische Beantwortung der Frage; ich persönlich habe nichts gegen Schwule und kenne auch einen oder zwei aus der Uni, mit denen ich mich super verstehe. Wie glaube ich schon mal jemand hier geschrieben hat: Was können die denn dafür, wenn sie halt so empfinden?

///
Keine Sorge, ich fühle mich keineswegs angegriffen. Wir diskutieren hier eben und stehen auf komplett unterschiedlichen Seiten, da muss man doch mit ein bisschen Reibung rechnen. Ich bin übrigens zutiefst davon überzeugt, dass die Welt eine bessere wäre, wenn alle Christen wären. ;)
Mit einer Sache habe ich allerdings große Probleme: Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass du einmal Christ warst. Einmal aus meinem Glauben begründet, dass Christsein ein One-Way-Ticket (nein, nicht to hell and back) darstellt. Aber viel eher noch, weil du ziemlich offensichtlich nicht viel Ahnung davon hast, was es heißt, Christ zu sein, was die Glaubensinhalte sind, was man überhaupt glaubt, was nicht und so weiter. Natürlich, da gibt es unter Christen viele Unterschiede, aber ich meinte das jetzt auch ziemlich grob. Das, was du mir teilweise über Christen erzählst, sind Dinge, die ich als Christ noch nie gehört habe. Nichts für ungut, aber so ehrlich muss ich sein. Vielleicht hab ich dich auch falsch verstanden, und du warst gar kein Christ, sondern Scientologe oder irgendwas anderes. In dem Fall wundert es mich nicht, dass du jetzt ein erfüllteres Leben führst. ;)
Ach so, bezüglich deiner Bemerkungen darüber, dass ein Leben ohne Gott grundsätzlich ein lebenswerteres Leben ist: Es gibt ja einige Studien, die zu belegen meinen, dass die Menschen in unserer Konsumgesellschaft immer unglücklicher werden. Ich habe mal im Rahmen eines Seminars ein Märchen schreiben müssen, wobei dann eher eine Kurzgeschichte rausgekommen ist, die das Dilemma zum Thema hat, in dem viele „moderne“ Menschen meiner Meinung nach stecken. Falls hier ein Interesse bestehen sollte, meine mehr oder weniger kreativen Ergüsse kritisch auseinandernehmen zu wollen, könnte ich das ja mal posten. Sind auch nur ca. sechs DinA4-Seiten. :P
Watt?
16.06.2012 - 10:47 Uhr
@Kamm
Wie kann man denn bitteschön Homos.exualität bekehren? Das ist wahrscheinlich, wenn überhaupt, nur mit Hypnose oder Gehirnwäsche machbar.


"Ach so, bezüglich deiner Bemerkungen darüber, dass ein Leben ohne Gott grundsätzlich ein lebenswerteres Leben ist: Es gibt ja einige Studien, die zu belegen meinen, dass die Menschen in unserer Konsumgesellschaft immer unglücklicher werden."

Das besagt ja aber zu diesem Thema null. Denn in unserer heutigen Konsumgesellschaft gibt es ja auch Christen, Muslime, etc. Man müsste da schon noch herausfinden, ob das nur die ungläubigen betrifft oder auch die Gläubigen. Ich würde jetzt mal stark davon ausgehen, dass beide Gruppen betroffen sind.
Nietzsche
16.06.2012 - 11:02 Uhr
Gott ist tot.
Gott
16.06.2012 - 11:02 Uhr
Nietzsche ist tot.
Vorsichtig mit Zeitdiagnosen
16.06.2012 - 11:05 Uhr
Es gibt ja einige Studien, die zu belegen meinen, dass die Menschen in unserer Konsumgesellschaft immer unglücklicher werden.

Die Menschen waren zu allen Zeit unglücklich.
Über mir
16.06.2012 - 12:05 Uhr
Absoluter Bullshit.
Kamm
16.06.2012 - 12:17 Uhr
@Watt?
Ich habe nicht behauptet, dass Homose.xualität bekehrt werden kann. Menschen bekehren sich, so, wie sie sind, egal welcher Se.xualität. Wenn Gott manche (und gar nicht so wenige) Leute dazu bringt, sich in den kritischen Zonen der Welt in Lebensgefahr zu begeben und dazu ihren gut bezahlten Job aufzugeben, dann kann er auch Leute dazu veranlassen, oben genanntes zu tun. Oder eben nicht, das meinte ich ja: Es ist offensichtlich nichts zwingend Notwendiges. Ich kenne nur eine Person, bei der es so war, wirklich persönlich und auch näher, habe aber von einigen anderen Fällen mitbekommen. Aber wahrscheinlich alles Propaganda und in diesem einen Fall Gehirnwäsche oder Hypnose. So wie bei allen von uns. :D

Zum Unglücklich sein: Ich habe mich da absichtlich eher vage gehalten, weil ich bei solchen Sachen auch eher skeptisch bin. Vielleicht handelt es sich hier um zyklische Vorgänge, die insgesamt an- und wieder abschwellen. Ich persönlich habe aber meine Gründe dafür, dass ich denke, dass es mit der Zufriedenheit in der Gesellschaft immer schlechter aussehen wird, wenn sich nicht einige Dinge grundlegend ändern. Und ohne jetzt Zahlen nennen zu können: Ich würde aus meiner subjektiven Beobachtung heraus behaupten, dass diese Phänomene unter Christen nicht oder eher nur abgeschwächt vorkommen. Vielleicht hat es damit zu tun, dass Christen keine Ersatzreligion mehr brauchen, und in diesem einen Punkt bin ich mir sicher: Der Kapitalismus und der Konsumismus zur Ersatzreligion erhoben machen sehr unglücklich.
In meinem universitären Umfeld habe ich es übrigens mit ziemlich vielen glücklich wirkenden Menschen zu tun, obwohl manche dann, wenn man tiefer ins Detail geht, doch sehr pessimistisch und hoffnungslos sind. Aber insgesamt ist die Stimmung da eine sehr positive. Anders sah es in der Arbeitswelt aus; ich hatte da das Gefühl, es hauptsächlich mit unzufriedenen und desillusionierten Menschen zu tun zu haben. Allerdings gehörte ich da teilweise noch dazu.

Ach so, Christen, die glücklich sind, sind natürlich Heuchler. Das ist so, das kann gar nicht anders sein. Warum? Weils so ist. (Nur, um euch zuvorzukommen ;) )
Der Glaube versetzt Berge
16.06.2012 - 12:30 Uhr
Jeder ist seines Glückes Schmied!
Rumhorster
16.06.2012 - 12:38 Uhr
Alle unter mir Versager!
seno
16.06.2012 - 12:55 Uhr
Kamm, ich bewundere dein Durchhaltevermögen aber so langsam wird das auch mir unheimlich.
Kamm
16.06.2012 - 13:14 Uhr
@seno
Ich muss zugeben, so langsam wirds mir auch unheimlich. Toleranz bedeutet für mich, um es mit Wikipedia zu sagen, "ein Geltenlassen und Gewährenlassen fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten." Ich habe an keiner Stelle etwas Intolerantes von mir gegeben.

Noch mal zur Erinnerung:
...ich persönlich habe nichts gegen Schwule und kenne auch einen oder zwei aus der Uni, mit denen ich mich super verstehe. Wie glaube ich schon mal jemand hier geschrieben hat: Was können die denn dafür, wenn sie halt so empfinden?

Wie dann allerdings in diesem Forum mit seinen sowieso schon homophoben Untertönen mir Intoleranz vorgeworfen wird, auf eine absolut polemische und, oha, intolerante Art und Weise, das ist eher nicht unheimlich, sondern ziemlich unterhaltsam. :D
@Kamm
16.06.2012 - 13:33 Uhr
Manchmal ist weniger mehr. Oder glaubst du, dass sich irgendjemand, außer dem offensichtlich nicht ausgelasteten Phaon, deine Beiträge komplett durchliest? Wie kann man so viel schreiben und so viel Zeit aufwenden, nur um in einem Tr.ollforum seine Meinung zu vertreten?
Kamm
16.06.2012 - 13:48 Uhr
@@Kamm
Ja, du hast schon recht, es ist nicht unbedingt die richtige Plattform für solche Diskussionen. Allerdings heißt der Thread immerhin "Glaubst du an den lieben Gott?". Und mit Phaon und noch ein paar anderen Leuten gibt es hier welche, die an einem Austausch grundsätzlich interessiert scheinen. Dass es bei mir öfters mal zu lang wird, liegt wahrscheinlich zum einen daran, dass ich momentan Zeit habe, zum anderen, dass es hier um Überzeugungen geht, die mir in meinem Leben sehr wichtig sind, und nicht zuletzt daran, dass ich kein guter Formulierer bin und deshalb schon mal länger brauche, um eine eigentlich einfache Sache darzustellen.

Um ein altes Argument zu bemühen: Wenn es einem nicht interessiert oder man sich sowieso nur aufregt, dann braucht man es nicht zu lesen.
Kamm
16.06.2012 - 14:07 Uhr
Falls ich es in den letzten fünf Minuten noch nicht erwähnt habe:
...ich persönlich habe nichts gegen Schwule und kenne auch einen oder zwei aus der Uni, mit denen ich mich super verstehe. Wie glaube ich schon mal jemand hier geschrieben hat: Was können die denn dafür, wenn sie halt so empfinden?
adolf tippster
16.06.2012 - 14:15 Uhr
Wie kann man sich über lange Postings beschweren? Man muss sie doch nicht lesen. Ein bisschen mehr gesunde Ignoranz wäre gut.
Sorry, aber
16.06.2012 - 14:23 Uhr
Es geht darum einzusehen, dass man vor Gott nicht bestehen kann und deshalb die stellvertretende Sündenvergebung durch Jesus nötig hat. Nur noch mal zur Erinnerung, worum es überhaupt geht. ;)

Ich kann darin keinerlei Sinn erkennen.
lord of the flies
16.06.2012 - 14:24 Uhr
wenn man mal davon ausgeht dass es einen gott gibt, hat er eine sexuelle orientierung?
Leim Gäleger
16.06.2012 - 14:27 Uhr
Gott als das Über-Ich und Jesus als Stellvertreter-Ich. Lustig... :)
E
16.06.2012 - 15:23 Uhr
If there's a god up there
Something above
God shine your light down here
Shine on the love
Love of the loveless
Geld ist Gott
16.06.2012 - 15:28 Uhr
Lass es Geld regnen.

http://www.rt.com/news/russian-zuckerberg-money-experiment-406/
Phaon
16.06.2012 - 15:54 Uhr
@ Kamm:

Ich verrate eher ungern, für welche Firma / Institution ich arbeite, aber die meiste Zeit über besteht meine Arbeit darin, Texte zu schreiben, durchzusehen, sich mit Inhalten auseinanderzusetzen und Nachforschungen über bestimmte Themen anzustellen. Die Arbeitszeit kann ich mir oftmals relativ frei einteilen, aber es gibt häufig fiese Deadlines, zu denen bestimmte Aufgaben abgeschlossen sein müssen. Und häufig sitze ich dann eben bis nachts vorm PC… Studium habe ich vor kurzem abgeschlossen: Literaturwissenschaft, Linguistik, Philosophie.

Zu I.) Eigentlich habe ich dazu auch gar nichts mehr zu sagen, ich würde dir aber gerne zu denken geben, dass nach deiner Definition nur sehr wenige Menschen „wahre Christen“ sind, was zu einem Problem wird, wenn du davon ausgehst, dass dein Glaube der einzig wahre auf der Welt ist. Ich weiß nicht, was deiner Meinung nach mit den anderen Menschen passiert, ob sie in der Hölle landen oder sonst wo, aber jedenfalls zeigt deine strenge Definition von Christen sehr gut, dass religiöser Glaube häufig dazu benutzt wird, Menschen zu unterscheiden, zu „diskriminieren“. Religion ist wahrscheinlich sogar ein verhängnisvolleres Unterscheidungskriterium als Rasse: „wir haben recht - die anderen haben unrecht“. Wenn es keine Religionen mehr gäbe, würden die Menschen jedenfalls viel näher zusammenrücken.

Zu II.) Hier würde ich gerne einwenden, dass die Annahme eines Gottes kein Erklärungspotenzial besitzt. Du hast ja sehr schön die Frage formuliert: „Wie kann es sein, dass hier eine Pflanze nicht nur für sich selbst funktional ist, sondern auch noch ihren Platz innerhalb eines unglaublich komplexen Ökosystems hat und noch dazu schön aussieht, obwohl doch der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, immerhin ein Naturgesetz, besagt, dass jedes System, wenn es sich selbst überlassen wird, zur Unordnung und sogar zur Selbstzerstörung strebt?“ Deine Antwort auf diese Frage ist Gott, aber dabei übersiehst du, dass du die von dir gestellte Frage damit überhaupt nicht beantwortet hast. Du kannst nichts darüber sagen, wie genau Gott die Pflanze geschaffen oder wie er das Ökosystem geordnet hat. Gott ist somit keine Antwort auf ungeklärte Fragen, Gott ist die Un-Antwort schlechthin. Wenn ein Mensch aus dem 17. Jahrhundert ein Auto sehen und die Frage stellen würde: „Wie kann es sein, dass sich diese Kutsche ohne Pferde fortbewegen kann?“ und ich antworte: „Henry Ford hat dieses Auto geschaffen.“, habe ich doch die Frage des Fragenden überhaupt nicht beantwortet. Und genau so verhält es sich, wenn man Gott als Antwort hernimmt. Ich frage: „Wie ist das Universum entstanden?“, und ein Christ antwortet mir: „Gott hat es geschaffen.“ Meine Frage ist damit nicht einmal im Ansatz beantwortet worden. Die Annahme, dass Gott existiert, liefert keine Antworten auf ungeklärte Fragen.

Zu III.) Zum angeblichen Wunder: es ist doch toll, dass deine gute Bekannte noch weiterleben darf, aber ich tue mir sehr schwer damit, diese Heilung als Wunder anzusehen. Ein Wunder wäre es, wenn Gott deiner Bekannten ihren Arm zurückgegeben hätte. Es gibt da ja diese sehr gute Webseite „Why doesn’t god heal amputees?“, und auf dieser Seite sind auch alle Argumente gegen die Wunderheilung aufgelistet. Manchmal geschehen medizinisch (noch) unerklärliche Dinge, aber medizinisch unmögliche Dinge geschehen nicht. Keinem Menschen ist jemals ein neuer Arm oder ein neues Bein gewachsen, egal wie sehr sie zu Gott beteten. Christen sind außerdem im Allgemeinen nicht gesünder als Atheisten. Meine Mutter ist übrigens auch eine sehr gläubige Christin, wurde aber in ihrem Leben trotzdem von sehr vielen Krankheiten geplagt, bei denen bis heute keine Wunderheilung eintrat. Aber was ist das überhaupt für eine Wirkungsweise Gottes? Lässt jeden Tag Tausende Menschen und Kinder qualvoll verhungern, aber es ist ein Wunder, wenn er eine einzige Frau in Deutschland nicht sterben lässt, sondern sie heilt und ihr dafür nur einen Arm nimmt.

Zur Entrückung: Wenn die Entrückung eintreten würde, dann wäre DAS hingegen ein echtes Wunder =). Von einer atheistischen Perspektive aus gesehen ist das natürlich ein wenig lächerlich: Denn du hast ja selbst geschrieben, dass dann alle wahren Christen plötzlich von der Erde verschwinden würden. Jesus holt also die physischen Körper seiner Christen zu sich, aber die Kleidung, Zahnfüllungen, etc. bleiben auf der Erde zurück. Vielleicht denke ich wieder zu logisch, aber ich dachte eigentlich immer, dass Gott oder Jesus nur die Seelen der Menschen zu sich heraufholen wird. Was soll er mit den physischen Körpern dieser Menschen anfangen? Die müssen dann ja auch irgendwo untergebracht werden. Das Konzept einer transzendenten Seele klingt im Vergleich dazu ja fast vernünftig, aber dass nun die Körper der Menschen nach oben in den Himmel schweben, ist an Absurdität wirklich nicht mehr zu überbieten =).

Zu IV.) Ich weiß, ich habs mit dem Mittelalter, aber so lange ist das nun auch wieder nicht her, und da hat sich das Christentum eben von seiner Schokoladenseite gezeigt ^^. Und der Katholizismus hat im Gegensatz zum Protestantismus immerhin den Vorteil, dass er relativ zentralisiert und überall ähnlich ist, während es bei den Protestanten 1000 verschiedene Richtungen gibt. Der ursprüngliche Protestantismus Luthers war übrigens ein ganzes Stück radikaler als der Katholizismus. Aber das nur mal so am Rande… Ich lasse mein Leben eben einfach nicht gern entwerten und gebe zu, dass ich wirklich nicht sterben will. Als ich erkannt habe, dass wir nur dieses eine Leben haben, war das für mich zuerst wie ein Schock. All die sinnlosen Tode von Unschuldigen konnten nun nicht mehr gerechtfertigt werden. Der Tod von Kindern: ein unvorstellbarer Schrecken! Für mich stand jedenfalls fest, dass ich mein Leben nicht wegwerfen will. Man sollte lange und gründlich darüber nachdenken, was man im Leben eigentlich erreichen will, was einem Glück bereitet und einem das Gefühl gibt, sein Leben nicht verschwendet zu haben. Und da komme ich eben automatisch zum logischen Nachdenken. Du hast recht, niemand handelt ausschließlich logisch, aber zumindest sollte man sich darum bemühen. Mit Logik und Vernunft kann man die meisten Probleme lösen. Und da kommt man eben relativ schnell zu der Erkenntnis, dass jeder Mensch gleichberechtigt ist, und dass es somit nicht in Ordnung ist, seinen Egoismus auf Kosten anderer auszuleben. Das ist dann die Entdeckung des moralischen Prinzips: nicht, weil Gott es sagt, soll man seinen Nächsten schätzen, sondern, weil es für sich gesehen eine gute Sache ist. Du hast oben ja selbst geschrieben, dass es nur sehr wenige wahre Christen in Deutschland gibt. Der ganze große Rest läuft aber nicht mordend durch die Straßen und nimmt nur Rücksicht auf sich selbst. Die meisten Menschen verhalten sich moralisch korrekt - auch ohne christlichen Glauben.
Zidane hat übrigens eindrucksvoll gezeigt, wie blöd eine rote Karte im letzten Spiel sein kann. Hat er daraus irgendeinen persönlichen Vorteil gezogen? Wohl eher nicht, er hat seine einzige Chance vergeigt…
die wie alle anderen essen, trinken, vögeln, feiern gehen Das ist also der moderne christliche Geist? Wenn du deine Bibel gründlicher gelesen hättest, wüsstest du auch, dass Genusssucht, Spaß und sexuelle Ausschweifung generell kritisch dargestellt werden und in der Tat alles auf das der wahre Christ einem sehr engen Gesetzeskodex folgen muss!

Zu V.) Die Bibel ist in Bezug auf Homosexualität leider sehr deutlich: Todesstrafe (und somit Hölle) für beide. Da gibt es nichts auszulegen. Für mich ist die betreffende Textstelle ein sehr gutes Beispiel dafür, dass die Bibel unmoralisch ist. In deinem Falle haben wir jetzt also einen Konflikt, den wir irgendwie lösen müssen: Die Bibel sagt dies und das, du vertrittst die wörtliche Auslegung der Bibel, und trotzdem kannst du ihr nicht Folge leisten und Homosexuelle verabscheuen. Wenn dir dein Glaube wirklich wichtig ist (was ich annehme), muss das ein echt großes psychologisches Problem sein; ein weiteres Beispiel dafür, dass Religion gefährlich ist und ich als Atheist für eine gute Sache eintrete, wenn ich versuche, Gläubige von ihrem Glauben abzubringen. Dein Verhalten zeigt mir jedoch, dass du selbst moralischer bist als die Bibel, denn du würdest zwei Homosexuelle nicht einfach töten! Du brauchst die Bibel also nicht, um dich moralisch korrekt zu verhalten. Und wenn es eine Textstelle gibt, der du widersprichst, dann gibt es auch weitere zweifelhafte Stellen. Du wirst sehen, wie viele Stellen in der Bibel einfach hanebüchen und moralisch verwerflich sind, und du musst lernen, auf die Bibel zu verzichten, wenn es moralische Angelegenheiten geht. Wenn du jetzt sagst: „nein, das würde ich niemals tun“, dann mache ich dich hiermit darauf aufmerksam, dass du es bereits getan hat. Ich habe dir eine einfache Frage gestellt, die du mit ja oder nein hättest beantworten sollen, und du bist einfach ausgewichen. Aber dein Ausweichen ist ein gutes Zeichen: es zeigt, dass sich deine Sicht von Moral von der der Bibel unterscheidet!

Vielleicht sollte man sich auch allgemein von dem Konzept der Sünde verabschieden. Jeder Mensch begeht Fehler und niemand ist perfekt. Was ich aber nicht akzeptieren kann, ist die Tatsache, dass laut Christentum jeder Mensch schon schuldig geboren wird (Erbsünde). Das Konzept, dass Nachkommen für die Fehler ihrer Eltern büßen müssen, ist selbst schon wieder unmoralisch. Wenn du ein Lügner bist, verstößt du schon einmal gegen eines der 10 Gebote: „Du sollst nicht lügen.“ Da steht nicht: „du sollst normalerweise nicht lügen“, sondern „Du sollst nicht lügen“ (also in allen Fällen nicht). Manchmal erfordert es die Moral von uns jedoch, dass wir lügen. Die tatsache, dass jeder lügt, zeigt mal wieder, wie unpraktikabel die Gesetze der Bibel doch sind!

///
Um ehrlich zu sein, bin ich sogar jetzt noch offiziell Christ. Ich bin noch in der römisch katholischen Kirche und bin sogar gefirmt, und somit auch ein vollwertiges Mitglied des Katholizismus. Und es gab lange Phasen meines Lebens, in denen ich wirklich geglaubt habe. Gerade in meiner Kindheit habe ich jeden Tag sehr viel gebetet, die Bibel gelesen, mit anderen Katholiken über Gott gesprochen, etc… Ich war damals ein echter Christ. Sogar zu Beginn meines Studiums habe ich mich noch für den katholischen Glauben eingesetzt, mich offiziell zum Glauben bekannt und mit Atheisten diskutiert. Meine Wandlung zum Atheisten ist noch nicht sehr lange her, vielleicht höchstens vier Jahre.

Eine letzte Anmerkung zur Glücksdebatte: ich bin sehr davon überzeugt, dass wir heutzutage in der glücklichsten Zeit leben, die es jemals gab. Allein der medizinische Fortschritt, die gestiegene Lebensqualität, die unzähligen Möglichkeiten, sich selbst zu verwirklichen, das Nichtvorhandensein von enormen Kriegen, die unzähligen Unterhaltungsmöglichkeiten (Filme, Bücher, Musik, Videospiele - all das ist uns in Hülle und Fülle zugänglich, mehr als wir je konsumieren könnten), der unbeschwerte Umgang mit Sexualität, die Möglichkeit, überallhin zu reisen - das sind alles Dinge, die früher unmöglich waren und die meiner Meinung nach enorm zum Glück beitragen. Mir geht es jedenfalls wirklich super und ich genieße mein Leben in vollen Zügen. Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, einfach nur blind zu konsumieren, mein Lebensglück basiert auf tieferen Einsichten wie Humanismus, Erkenntnis, tiefgreifende ästhetische Erfahrungen, etc… und damit meine ich auch Autoren wie Dostojewski.
Dr. Hawking
16.06.2012 - 16:01 Uhr
Überdenken wir das eben Gelesene noch einmal!
Kamm on!
16.06.2012 - 16:10 Uhr
An der ausführlichen Antwort wird sicher gerade gefeilt.
Kamm on!
16.06.2012 - 16:10 Uhr
An der ausführlichen Antwort wird sicher gerade gefeilt.
Arthur
16.06.2012 - 16:21 Uhr
Basis aller Dialektik

Zuvörderst ist zu betrachten das Wesentliche jeder Disputation, was eigentlich dabei vorgeht.

Der Gegner hat eine These aufgestellt (oder wir selbst, das ist gleich). Sie zu widerlegen, gibts zwei Modi und zwei Wege.

1. Die Modi: a) ad rem, b) ad hominem, oder ex concessis: d. h. wir zeigen entweder, daß der Satz nicht übereinstimmt mit der Natur der Dinge, der absoluten objektiven Wahrheit; oder aber nicht mit andern Behauptungen oder Einräumungen des Gegners, d. h. mit der relativen subjektiven Wahrheit: letzteres ist nur eine relative Überführung und macht nichts aus über die objektive Wahrheit.

2. Die Wege: a) direkte Widerlegung, b) indirekte. – Die direkte greift die These bei ihren Gründen an, die indirekte bei ihren Folgen: die direkte zeigt, daß die These nicht wahr ist, die indirekte daß sie nicht wahr sein kann.

1. Bei der direkten können wir zweierlei. Entweder wir zeigen, daß die Gründe seiner Behauptung falsch sind (nego majorem; minorem): – oder wir geben die Gründe zu, zeigen aber, daß die Behauptung nicht daraus folgt (nego consequentiam), greifen also die Konsequenz, die Form des Schlusses an.

2. Bei der indirekten Widerlegung gebrauchen wir entweder die Apagoge oder die Instanz.

a) Apagoge: wir nehmen seinen Satz als wahr an; und nun zeigen wir, was daraus folgt, wenn wir in Verbindung mit irgend einem andern als wahr anerkannten Satze selbigen als Prämisse zu einem Schlusse gebrauchen, und nun eine Konklusion entsteht, die offenbar falsch ist, indem sie entweder der Natur der Dinge [Fußnote], oder den andern Behauptungen des Gegners selbst widerspricht, also ad rem oder ad hominem falsch ist ( Sokrates in Hippia maj. et alias): folglich auch der Satz falsch war: denn aus wahren Prämissen können nur wahre Sätze folgen, obwohl aus falschen nicht immer falsche.

b) Die Instanz, ένστασις , exemplum in contrarium: Widerlegung des allgemeinen Satzes durch direkte Nachweisung einzelner unter seiner Aussage begriffner Fälle, von denen er doch nicht gilt, also selbst falsch sein muß.

Dies ist das Grundgerüst, das Skelett jeder Disputation: wir haben also ihre Osteologie. Denn hierauf läuft im Grunde alles Disputieren zurück: aber dies alles kann wirklich oder nur scheinbar, mit echten oder mit unechten Gründen geschehn; und weil hierüber nicht leicht etwas sicher auszumachen ist, sind die Debatten so lang und hartnäckig. Wir können auch bei der Anweisung das wahre und scheinbare nicht trennen, weil es eben nie zum voraus bei den Streitenden selbst gewiß ist: daher gebe ich die Kunstgriffe ohne Rücksicht, ob man objective Recht oder Unrecht hat; denn das kann man selbst nicht sicher wissen: und es soll ja erst durch den Streit ausgemacht werden. Übrigens muß man, bei jeder Disputation oder Argumentation überhaupt, über irgend etwas einverstanden sein, daraus man als einem Prinzip die vorliegende Frage beurteilen will: Contra negantem principia non est disputandum.
Arthur
16.06.2012 - 16:23 Uhr
Kunstgriff 1

Die Erweiterung. Die Behauptung des Gegners über ihre natürliche Grenze hinausführen, sie möglichst allgemein deuten, in möglichst weitem Sinne nehmen und sie übertreiben; seine eigne dagegen in möglichst eingeschränktem Sinne, in möglichst enge Grenzen zusammenziehn: weil je allgemeiner eine Behauptung wird, desto mehreren Angriffen sie bloß steht. Das Gegenmittel ist die genaue Aufstellung des puncti oder status controversiae.

Exempel 1. Ich sagte: »Die Engländer sind die erste Dramatische Nation.« – Der Gegner wollte eine instantia versuchen und erwiderte: »Es wäre bekannt, daß sie in der Musik folglich auch in der Oper nichts leisten könnten.« – Ich trieb ihn ab, durch die Erinnerung »daß Musik nicht unter dem Dramatischen begriffen sei; dies bezeichne bloß Tragödie und Komödie«: was er sehr wohl wußte, und nur versuchte, meine Behauptung so zu verallgemeinern, daß sie alle Theatralischen Darstellungen, folglich die Oper, folglich die Musik begriffe, um mich dann sicher zu schlagen.

Man rette umgekehrt seine eigne Behauptung durch Verengerung derselben über die erste Absicht hinaus, wenn der gebrauchte Ausdruck es begünstigt.

Exempel 2. A sagt: »Der Friede von 1814 gab sogar allen Deutschen Hansestädten ihre Unabhängigkeit wieder.« – B gibt die instantia in contrarium, daß Danzig die ihm von Bonaparte verliehene Unabhängigkeit durch jenen Frieden verloren. – A rettet sich so: »Ich sagte allen Deutschen Hansestädten: Danzig war eine Polnische Hansestadt.«

Diesen Kunstgriff lehrt schon Aristoteles Topik, VIII, 12, 11.

Exempel 3. Lamarck ( Philosophie zoologique) spricht den Polypen alle Empfindungen ab, weil sie keine Nerven haben. Nun aber ist es gewiß, daß sie wahrnehmen: denn sie gehn dem Lichte nach, indem sie sich künstlich von Zweig zu Zweig fortbewegen; – und sie haschen ihren Raub. Daher hat man angenommen, daß bei ihnen die Nervenmasse in der Masse des ganzen Körpers gleichmäßig verbreitet, gleichsam verschmolzen ist: denn sie haben offenbar Wahrnehmungen ohne gesonderte Sinnesorgane. Weil das dem Lamarck seine Annahme umstößt, argumentiert er dialektisch so: »Dann müßten alle Teile des Körpers der Polypen jeder Art der Empfindung fähig sein, und auch der Bewegung, des Willens, der Gedanken: Dann hätte der Polyp in jedem Punkt seines Körpers alle Organe des vollkommensten Tieres: jeder Punkt könnte sehn, riechen, schmecken, hören, usw., ja denken, urteilen, schließen: jede Partikel seines Körpers wäre ein vollkommnes Tier, und der Polyp selbst stände höher als der Mensch, da jedes Teilchen von ihm alle Fähigkeiten hätte, die der Mensch nur im Ganzen hat. – Es gäbe ferner keinen Grund, um was man vom Polypen behauptet, nicht auch auf die Monade, das unvollkommenste aller Wesen, auszudehnen, und endlich auch auf die Pflanzen, die doch auch leben, usw.« – Durch Gebrauch solcher Dialektischen Kunstgriffe verrät ein Schriftsteller, daß er sich im Stillen bewußt ist, Unrecht zu haben. Weil man sagte: »ihr ganzer Leib hat Empfindung für das Licht, ist also nervenartig«: macht er daraus, daß der ganze Leib denkt.
Arthur
16.06.2012 - 16:37 Uhr
Kunstgriff 2

Die Homonymie benutzen, um die aufgestellte Behauptung auch auf das auszudehnen, was außer dem gleichen Wort wenig oder nichts mit der in Rede stehenden Sache gemein hat, dies dann lukulent widerlegen, und so sich das Ansehn geben, als habe man die Behauptung widerlegt.

Anmerkung. Synonyma sind zwei Worte für denselben Begriff: – Homonyma zwei Begriffe, die durch dasselbe Wort bezeichnet werden. Siehe Aristoteles, Topik, I, 13. Tief, Schneidend, Hoch, bald von Körpern bald von Tönen gebraucht sind Homonyma. Ehrlich und Redlich Synonyma.

Man kann diesen Kunstgriff als identisch mit dem Sophisma ex homonymia betrachten: jedoch das offenbare Sophisma der Homonymie wird nicht im Ernst täuschen.

Omne lumen potest extingui
Intellectus est lumen
Intellectus potest extingui.

Hier merkt man gleich, daß vier termini sind: lumen eigentlich und lumen bildlich verstanden. Aber bei feinen Fällen täuscht es allerdings, namentlich wo die Begriffe, die durch denselben Ausdruck bezeichnet werden, verwandt sind und in einander übergehn.

Exempel 1. [Fußnote] A. Sie sind noch nicht eingeweiht in die Mysterien der Kantischen Philosophie.

B. Ach, wo Mysterien sind, davon will ich nichts wissen.

[Exempel 2.] Ich tadelte das Prinzip der Ehre, nach welchem man durch eine erhaltene Beleidigung ehrlos wird, es sei denn, daß man sie durch eine größere Beleidigung erwidere, oder durch Blut, das des Gegners oder sein eigenes, abwasche, als unverständig; als Grund führte ich an, die wahre Ehre könne nicht verletzt werden durch das, was man litte, sondern ganz allein durch das, was man täte; denn widerfahren könne jedem jedes. – Der Gegner machte den direkten Angriff auf den Grund: er zeigte mir lukulent, daß wenn einem Kaufmann Betrug oder Unrechtlichkeit, oder Nachlässigkeit in seinem Gewerbe fälschlich nachgesagt würde, dies ein Angriff auf seine Ehre sei, die hier verletzt würde, lediglich durch das, was er leide, und die er nur herstellen könne, indem er solchen Angreifer zur Strafe und Widerruf brächte.

Hier schob er also, durch die Homonymie, die Bürgerliche Ehre, welche sonst Guter Name heißt und deren Verletzung durch Verleumdung geschieht, dem Begriff der ritterlichen Ehre unter, die sonst auch point d'honneur heißt und deren Verletzung durch Beleidigungen geschieht. Und weil ein Angriff auf erstere nicht unbeachtet zu lassen ist, sondern durch öffentliche Widerlegung abgewehrt werden muß; so müßte mit demselben Recht ein Angriff auf letztere auch nicht unbeachtet bleiben, sondern abgewehrt [werden] durch stärkere Beleidigung und Duell. – Also ein Vermengen zwei wesentlich verschiedener Dinge durch die Homonymie des Wortes Ehre: und dadurch eine mutatio controversiae, zu Wege gebracht durch die Homonymie.
Fliegendes Spagettimonster
16.06.2012 - 16:39 Uhr
Es gibt keinen Gott, aber mich!

Fürchtet mein Nudeligkeit!
Descartes
16.06.2012 - 16:39 Uhr
Cogito ergo sum.
Mal im Ernst
16.06.2012 - 17:10 Uhr
Ja, mit Arthur haben wir endlich einen dritten Schwätzer, der viel zu lange Beiträge schreibt. Phaon und Kamm haben ja nicht gereicht. Leute, ernsthaft, sucht euch Hobbys oder geht mal in den Puff! Euer wirres Geschwurbel hier braucht niemand und außer euch liest sich das auch niemand ernsthaft durch. Dies ist ja auch ein Forum und kein E-Book.
Kamm
16.06.2012 - 17:40 Uhr
@Mal im Ernst
Ich hoffe, dass dein Name nicht ernst gemeint ist. :D
sattgrün
16.06.2012 - 18:14 Uhr
@Kamm
Übrigens glaube ich nicht, dass du im Mittelalter als Atheist von "christlichen Mitmenschen" auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden wärst. Jemand, der so etwas machen würde, könnte kein Christ sein, da sein Handeln im krassen Gegensatz zur christlichen Lehre stünde.

Was ist dann mit Calvin?

@Phaon
Mit Logik und Vernunft kann man die meisten Probleme lösen. Und da kommt man eben relativ schnell zu der Erkenntnis, dass jeder Mensch gleichberechtigt ist, und dass es somit nicht in Ordnung ist, seinen Egoismus auf Kosten anderer auszuleben.

Am ersten Satz ist nicht auszusetzen. Aber deine Folgerung teile ich nicht. Warum sollten mir Logik und Vernunft sagen, dass es nicht OK ist, andere übers Ohr zu hauen, ihre Gutgläubigkeit auszunutzen, kurz, meinen eigenen Vorteil zu suchen.
Das Prinzip der Natur, der Stärkere siegt. Erfolgreich seit Jahrmillionen. Wer hat, dem wird gegeben.
Deine Schlußfolgerung ist eine rein moralische, die durchaus deiner christlichen Erziehung geschuldet sein könnte.


ich bin sehr davon überzeugt, dass wir heutzutage in der glücklichsten Zeit leben, die es jemals gab. Allein der medizinische Fortschritt, die gestiegene Lebensqualität, die unzähligen Möglichkeiten, sich selbst zu verwirklichen, das Nichtvorhandensein von enormen Kriegen, die unzähligen Unterhaltungsmöglichkeiten ..., der unbeschwerte Umgang mit Sexualität, die Möglichkeit, überallhin zu reisen - das sind alles Dinge, die früher unmöglich waren und die meiner Meinung nach enorm zum Glück beitragen.

Nein, denn wir leben in einer Zeit, in der vieles festgefügt, unveränderlich scheint. Vorausgesetzt, es herrscht kein Kampf um tägliche Überleben, sind meiner Meinung nach Menschen glücklich, die eine Idee / Vision haben und Chancen sehen, dass diese Wirklichkeit werden könnten. Zeiten des Aufbruchs sind glücklicher, als Zeiten der Stagnation.

Viele Dinge, die du ansprichst, wurden von Menschen in früheren Zeiten nicht vermisst, und manchmal zweifele ich, das sie tatsächlich einen Fortschritt darstellen. Waren die Salons des 19 Jhds., das Zusammenarbeiten /-feiern in dörflichen Gemeinschaften weniger glücklichmachend, als die Möglichkeiten der Unterhaltung, die du ansprichst? Vereinsamung in der Masse ist durchaus ein Thema, schau dir dieses Forum an.
Medizinischer Fortschritt: Klar ich sterbe heute nicht mahr an einer Sepsis, verursacht durch einen entzündeten Zahn, aber wahrscheinlich werde ein, zwei Herzinfarkte / Schlaganfälle überleben, um dann fünf Jahre drauf dement irgendwo allein in einem Heim zu sterben. Ich weiß nicht, was mir besser gefällt.
Den entspannten Umgang mit Sexualität finde ich auch wichtig. So prüde, verklemmt wie die BRD der Nachkriegszeit bis in die 80er hinein war wohl kaum eine Epoche davor. Aber auch da sehe ich die Jetztzeit mit ihrem Zwang, so zu sein wie alle anderen, nicht sonderlich positiv.
FYIO
16.06.2012 - 18:15 Uhr
Phaon ist Ghostwriter!
Kamm
16.06.2012 - 18:21 Uhr
Sorry schon mal fürs doppelposten.

@Phaon
Ich bin gleich weg, feiern gehen (oha! Darf ich das als Christ überhaupt? ;) ). Deshalb erst mal nur ganz kurz, was mir auf die Schnelle einfällt.

Zu I.)
Mein Glaube ist auch gleichzeitig eine Überzeugung. Würde ich nicht davon ausgehen, dass er wahr ist, könnte ich es gleich sein lassen. Wenn ich etwas als wahr ansehe, fällt es mir schwer, eine gegenteilige Meinung als richtig anzusehen. Warum das dann aber dazu führen sollte, dass ich damit andere Menschen diskriminiere, erschließt sich mir nicht. Du sagst ja auch, dass du recht hast, und ich nicht. Diskriminierst du mich damit? Ich finde nicht, es sei denn, du meinst es so. Ich habe jedenfalls keine Probleme damit, dass du etwas anderes denkst als ich.

Zu II.)
Da geht es um dieses Vorurteil des "Lückenbüßer-Gottes". Ich verstehe etwas nicht, also muss Gott die Antwort sein. Es kann sein, dass es Christen gibt, die es sich so einfach machen, keine Ahnung. Wahrscheinlich gibt es die. Aber um bei deinem Beispiel zu bleiben: Wenn ich einem Menschen aus dem 17. Jh. erklären sollte, wie ein Auto funktioniert, dann müsste ich das natürlich mit der Technik und den wissenschaftlichen Erkenntnissen machen. Das ändert aber nichts daran, dass es einmal Menschen gegeben hat, die sich das alles ausgedacht haben. Übertragen auf die beobachtbaren Phänomene z. B. in der Natur, ist die Wissenschaft dazu da, um so gut es geht zu erforschen, wie alles funktioniert. Das ändert aber für mich nichts daran, dass es irgendwo eine Intelligenz geben muss, die sich diese Prinzipien ausgedacht hat. Das meinte ich ja mit dem Gesetzt der Entropie, dass eben nicht von selbst irgend welche geordneten Systeme entstehen. Für mich ist das eine wissenschaftliche Aussage, und man müsste mir erst mal beweisen, unter welchen Umständen es anders sein könnte.

Kurz noch zu deinem letzten Absatz unter IV.)
Du hast mich falsch verstanden, sexuelle Ausschweifungen und Genusssucht werden in der Tat in der Bibel kritisch behandelt. Ich habe aber auch nicht behauptet, dass ein Christ normativ so sein sollte. Die von mir genannten Dinge sind aber alles Tätigkeiten, die nirgendwo in der Bibel verboten werden. Ich habe die Bibel, zumindest das NT, schon einige Male durchgelesen, und das mit dem engen Verhaltenkodex, das musst du mir auch noch mal erklären. :) Siehe auch, was Sattgrün schon mal dazu geschrieben hat, bezüglich des alten und des neuen Testamentes. Dann erübrigt sich das vielleicht auch endlich mit deinen Unterstellungen bezüglich Homose.xualität.

Ok, ich muss los. Alles weitere dann vielleicht morgen. Wünsche allen nen schönen Abend. :)
hungrigblau
16.06.2012 - 19:13 Uhr
Am ersten Satz ist nicht auszusetzen. Aber deine Folgerung teile ich nicht. Warum sollten mir Logik und Vernunft sagen, dass es nicht OK ist, andere übers Ohr zu hauen, ihre Gutgläubigkeit auszunutzen, kurz, meinen eigenen Vorteil zu suchen.


Weil es dich zu einem arroganten und egoistischen Drecksack machen würde, mit dem niemand etwas zu tun haben will.

Das Prinzip der Natur, der Stärkere siegt. Erfolgreich seit Jahrmillionen. Wer hat, dem wird gegeben.


So ähnlich hat man auch in der Steinzeit gedacht, wenn ich mich recht entsinne.
Bei dir steht bestimmt auch noch die Frau brav hinterm Herd und darf nicht arbeiten, was?
Arthur S.
16.06.2012 - 19:37 Uhr
Kunstgriff 3

Die Behauptnng [Fußnote] welche beziehungsweise, κατά τι, relative aufgestellt ist, nehmen, als sei sie allgemein, simpliciter, απλω̃ς, absolute aufgestellt, oder wenigstens sie in einer ganz andern Beziehung auffassen, und dann sie in diesem Sinn widerlegen. Des Aristoteles Beispiel ist: der Mohr ist schwarz, hinsichtlich der Zähne aber weiß; also ist er schwarz und nicht schwarz zugleich. – Das ist ein ersonnenes Beispiel, das Niemand im Ernst täuschen wird: nehmen wir dagegen eines aus der wirklichen Erfahrung.

Exempel 1. In einem Gespräch über Philosophie gab ich zu, daß mein System die Quietisten in Schutz nehme und lobe. – Bald darauf kam die Rede auf Hegel, und ich behauptete er habe großenteils Unsinn geschrieben oder wenigstens wären viele Stellen seiner Schriften solche, wo der Autor die Worte setzt, und der Leser den Sinn setzen soll. – Der Gegner unternahm nicht dies ad rem zu widerlegen, sondern begnügte sich, das argumentum ad hominem aufzustellen »ich hätte so eben die Quietisten gelobt, und diese hätten ebenfalls viel Unsinn geschrieben«.

Ich gab dies zu, berichtigte ihn aber darin, daß ich die Quietisten nicht lobe als Philosophen und Schriftsteller, also nicht wegen ihrer theoretischen Leistungen, sondern nur als Menschen, wegen ihres Tuns, bloß in praktischer Hinsicht: bei Hegel aber sei die Rede von theoretischen Leistungen. – So war der Angriff pariert.

Die ersten drei Kunstgriffe sind verwandt: sie haben dies gemein, daß der Gegner eigentlich von etwas anderm redet als aufgestellt worden; man beginge also eine ignoratio elenchi, wenn man sich dadurch abfertigen ließe. – Denn in allen aufgestellten Beispielen ist was der Gegner sagt, wahr: es steht aber nicht in wirklichem Widerspruch mit der These, sondern nur in scheinbarem; also negiert der von ihm Angegriffene die Konsequenz seines Schlusses: nämlich den Schluß von der Wahrheit seines Satzes auf die Falschheit des unsrigen. Es ist also direkte Widerlegung seiner Widerlegung per negationem consequentiae.

Wahre Prämissen nicht zugeben, weil man die Konsequenz vorhersieht. Dagegen also folgende zwei Mittel, Regel 4 und 5
Arthur S.
16.06.2012 - 20:38 Uhr
In Copy & Paste hatte ich in der Schule immer eine 1 mit Sternchen.
Arthur S.
16.06.2012 - 20:56 Uhr
Kunstgriff 4

Wenn man einen Schluß machen will, so lasse man denselben nicht vorhersehn, sondern lasse sich unvermerkt die Prämissen einzeln und zerstreut im Gespräch zugeben, sonst wird der Gegner allerhand Schikanen versuchen; oder wenn zweifelhaft ist, daß der Gegner sie zugebe, so stelle man die Prämissen dieser Prämissen auf; mache Prosyllogismen; lasse sich die Prämissen mehrerer solcher Prosyllogismen ohne Ordnung durcheinander zugeben, also verdecke sein Spiel, bis alles zugestanden ist, was man braucht. Führe also die Sache von Weitem herbei. Diese Regeln gibt Aristoteles, Topik, VIII, 1.

Bedarf keines Exempels.



Kunstgriff 5

Man kann zum Beweis seines Satzes auch falsche Vordersätze gebrauchen, wenn nämlich der Gegner die wahren nicht zugeben würde, entweder weil er ihre Wahrheit nicht einsieht, oder weil er sieht, daß die Thesis sogleich daraus folgen würde: dann nehme man Sätze, die an sich falsch, aber ad hominem wahr sind, und argumentiere aus der Denkungsart des Gegners ex concessis. Denn das Wahre kann auch aus falschen Prämissen folgen: wiewohl nie das Falsche aus wahren. Eben so kann man falsche Sätze des Gegners durch andre falsche Sätze widerlegen, die er aber für wahr hält: denn man hat es mit ihm zu tun und muß seine Denkungsart gebrauchen. Z. B. ist er Anhänger irgend einer Sekte, der wir nicht beistimmen; so können wir gegen ihn die Aussprüche dieser Sekte, als principia, gebrauchen. Aristoteles, Topik, VIII, 9.
Arthur S.
16.06.2012 - 21:40 Uhr
Ich bin ein blasser, ungewaschender Indienerd, der im Keller wohnt und keine Freunde hat.
sattgrün
17.06.2012 - 18:59 Uhr
@hungrigblau

Als Profiler wärst du ne ziemliche Niete. Du musst "Nur zur Info" sein. :-)
sattgrün
17.06.2012 - 19:59 Uhr
Aber grundsätzlich hast du schon recht. Meine Olle ist nur zum bumsen und kochen da.
Kamm
18.06.2012 - 00:44 Uhr
Nachtrag zu meiner Antwort auf Phaon.

Zu III.)
Lassen wir das mit den Wundern, ich denke, da kommen wir nicht weiter.
Du hast natürlich Recht damit, dass Christen nicht gesünder sind als alle anderen Menschen. Das wäre meiner Meinung nach auch ein etwas ungerechtes Privileg. Nicht ohne Grund wird ein solches Versprechen in der Bibel nicht gegeben, sondern lediglich eine Möglichkeit angeboten, wie man mit Krankheit und Verletzung umgehen kann. Zu deiner Frage nach der Wirkungsweise Gottes: Ich dachte, du glaubst nicht an Gott. Also kann er auch nicht für das Verhungern von Kindern verantwortlich gemacht werden. Und ebenso, wie du wahrscheinlich diese Ungerechtigkeit auf menschliches Handeln zurückführen wirst, mache ich das auch.

Noch mal zur Entrückung: Ich habe keine Ahnung, wie genau das aussehen wird. Die Vorstellung, dass die Kleidung und der Körperschmuck zurückbleibt, entbehrt allerdings nicht einer komischen Absurdität. Ganz bestimmt wird aber keiner nach oben schweben. :D

zu IV.)
Ich habe nie behauptet, dass man ohne Gott nicht auch moralisch handeln kann. Im Gegenteil - ich kann mir gut vorstellen, dass es viele Nichtchristen gibt, die verantwortungsvoller und in einzelnen Situationen moralisch "richtiger" handeln als ich. Was ich nur zu bedenken geben möchte: Die Anwendung von Logik und Vernunft führt nicht zwangsläufig zum moralisch richtigen Handeln. Jedenfalls müsste mein Menschenbild ein sehr viel positiveres sein, um es so glauben zu können. Der ganze Mist, der auf dieser Welt passiert, legt meiner Meinung nach eher eine andere Schlussfolgerung nahe. Und mit welchem Recht willst du deine Vorstellungen davon, was logisch, vernünftig und moralisch vertretbar ist, normativ für die ganze Menschheit ausweiten? Wer soll feststellen, wessen Auffassung von Gerechtigkeit die richtige, gültige ist? Schließlich kann man davon ausgehen, dass bei über sieben Milliarden Menschen ziemlich viele Definitionen zusammenkommen, die bestimmt nicht alle übereinstimmen.

Zu V.)
Nochmal: Warum sollte ich deiner Ansicht nach Homose.xuelle verabscheuen, wo doch das Gebot besteht, dass ich alle Menschen lieben soll? Ich versuche es mal mit einer Logik, die der deinen nachempfunden ist:
"Das Gebot heißt: Liebe deinen nächsten wie dich selbst. Da du ja ein Mensch mit tiefstem Selbsthass bist, bedeutet es also in Wirklichkeit, dass du alle Menschen hassen sollst."
Ok, schlechter Scherz. Aber ich frage mich wirklich, wie du auf sowas kommst. Es mag ja sein, dass im AT ziemlich viele fiese Sachen stehen, aber ebenso, wie ich heute nicht mehr dazu verdonnert bin, irgendwelche Viecher auf einem Altar zu opfern, gelten die alten Regeln nicht mehr für mich. Sattgrün (sorry, dass ich mich so oft auf dich berufe) hat da schon das schöne Beispiel mit Jesus und der Ehebrecherin gebracht:
Wer von euch ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein.
Um es etwas theologischer zu Formulieren: Die Zeit vor dem NT wird als Zeitalter des Gesetzes angesehen, die danach als die, in der das Gesetz durch Jesus erfüllt wurde, und es deshalb nicht mehr gilt. Das einzige, was im NT von den alten Vorschriften wiederholt wird, sind die 10 Gebote, allerdings ohne das Sabbatgebot, und darüber hinaus, als neues Gebot, dass der Liebe als Wichtigstes.
Dass jeder Mensch gegen die 10 Gebote verstößt, wird im NT übrigens nicht angezweifelt. Das schließt Christen mit ein. Es wird in der Bibel sowieso kein Geheimnis daraus gemacht, dass Christen theoretisch zu jeder Sünde in der Lage sind, die jeder andere auch macht. Paulus z. B. spricht von zwei Naturen, die in ihm wohnen, und dass sich die "alte" Natur jederzeit bemerkbar machen kann.
Bezüglich der Situationen, in denen man wegen der Moral gezwungen sein könnte, zu lügen: Wie jeder andere Mensch bin ich in so einer Lage dazu herausgefordert, zu erkennen, was die beste Lösung ist. Gott hat dem Menschen nicht den Verstand gegeben, damit man blind irgend welchen Regeln folgt. Genau das hat Jesus an den Pharisäern kritisiert.

///
Dein letzter Absatz lässt mich wieder vermuten, dass dein Menschen- und Gesellschaftsbild um einiges positiver ist als meines. Ich tendiere da eher zu den Ansichten gewisser zivilisationskritischer Menschen, wie z. B. Max Weber, Adorno, Paul Virilio oder meinetwegen Kurt Beck mit seiner Risikogesellschaft, auch wenn dieser natürlich einen sehr optimistischen Gegenentwurf anbietet. Was alles natürlich nicht bedeutet, dass ich die Vorzüge unserer Gesellschaft, so wie du sie z. B. beschreibst, nicht auch genieße. Ich glaube, in dem Punkt unterscheiden wir uns gar nicht so sehr voneinander; ich schöpfe da ebenfalls aus dem Vollen und zufällig gehört Dostojewski zu meinen absoluten Lieblingsautoren. :) (btw, was ist deiner Meinung nach sein bester Roman?)
Sattgrün hat hat zu deinem letzten Absatz (mal wieder) was geschrieben, dem ich bis auf die Aussagen über Sexualität absolut zustimme. Ich würde das ungern wiederholen.

@sattgrün
Puh, Calvin. Jetzt hast du mich erwischt. :P Man kann seine Rolle in der Verfolgung und sogar Hinrichtung von Andersdenkenden nicht verleugnen. Andererseits würde ich ihm natürlich nicht absprechen, dass er Christ war. Von daher muss ich meine Aussage, dass Christen per se niemanden töten können (weil sie sonst keine Christen wären) revidieren. Ganz sicher war Calvin ein Kind seiner Zeit, in der es mit den Menschenrechten noch nicht so gut bestellt war. Und Arschlöcher gibt es leider überall, auch unter Christen. Man darf ja auch nicht vergessen, dass zum Beispiel die Verurteilung von Servetus (die einzige, von der ich in Verbindung mit ihm weiß; mit Calvin habe ich mich noch nie näher befasst) durch weltliche Einrichtungen geschah. Dass Leute zum Tode verurteilt wurden oder z. B. die Ansicht, dass Hexen verbrannt werden sollten, war kein Privileg von Geistlichen, sondern damals gängiges Weltbild. Natürlich macht das die Sache nicht besser. Aber ganz eindeutig hat Calvin in dieser Sache im krassen Gegensatz zu dem gehandelt, was Jesus gelehrt hat und was für Christen gilt.
Arthur S.
18.06.2012 - 11:58 Uhr
Kunstgriff 6

Man macht eine versteckte petitio principii, indem man das, was man zu beweisen hätte, postuliert, entweder 1. unter einem andern Namen, z. B. statt Ehre guter Name, statt Jungfrauschaft Tugend usw., auch Wechselbegriffe: – rotblütige Tiere, statt Wirbeltiere, 2. oder was im Einzelnen streitig ist, im Allgemeinen sich geben läßt, z. B. die Unsicherheit der Medizin behauptet, die Unsicherheit alles menschlichen Wissens postuliert: 3. Wenn vice versa zwei auseinander folgen, das eine zu beweisen ist; man postuliert das andre: 4. Wenn das Allgemeine zu beweisen und man jedes einzelne sich zugeben läßt. (Das umgekehrte von Nr. 2.) (Aristoteles, Topik, VIII, 11.)

Über die Übung zur Dialektik enthält gute Regeln das letzte Kapitel der Topica des Aristoteles.
Arthur S.
18.06.2012 - 11:59 Uhr
Kunstgriff 7

Wenn die Disputation etwas streng und formell geführt wird und man sich recht deutlich verständigen will; so verfährt der, welcher die Behauptung aufgestellt hat und sie beweisen soll, gegen seinen Gegner fragend, um aus seinen eignen Zugeständnissen die Wahrheit der Behauptung zu schließen. Diese erotematische Methode war besonders bei den Alten im Gebrauch (heißt auch Sokratische): auf dieselbe bezieht sich der gegenwärtige Kunstgriff und einige später folgende. (Sämtlich frei bearbeitet nach des Aristoteles Liber de elenchis sophisticis, 15.)

Viel auf ein Mal und weitläufig fragen, um das, was man eigentlich zugestanden haben will, zu verbergen. Dagegen seine Argumentation aus dem zugestandenen schnell vortragen: denn die langsam von Verständnis sind, können nicht genau folgen und übersehn die etwaigen Fehler oder Lücken in der Beweisführung.
Arthur S.
18.06.2012 - 12:01 Uhr
Kunstgriff 8

Den Gegner zum Zorn reizen: denn im Zorn ist er außer Stand, richtig zu urteilen und seinen Vorteil wahrzunehmen. Man bringt ihn in Zorn dadurch, daß man unverhohlen ihm Unrecht tut und schikaniert und überhaupt unverschämt ist.
Arthur S.
18.06.2012 - 12:11 Uhr
Kunstgriff 9

Die eigene Männlichkeit ins Feuer werfen. Ohne Hoden ist man außer Stand, falsch zu urteilen und negative Reaktionen wahrzunehmen.
Ich selber habe dies angewandt und fahre sehr gut damit. Eine gute Disputation lebt von der Hodenlosigkeit des Gegenübers.
Jean P.
18.06.2012 - 12:30 Uhr
Das größte Übel der EDV ist und bleibt die Copy/Paste-Funktion.
Witzischkeit kennt keine Grenzen
18.06.2012 - 12:33 Uhr
Was sagt ein Mann, nachdem er von einem Eunuchen geärgert wurde.?















Das ist ja eine hodenlose Frechheit!






Muahahahahahahahahahahahahahahahahaha
Tobson
18.06.2012 - 12:34 Uhr
*gähn* Der ist aber schon alt. Genauso alt wie die unsachliche Christenhetze, die hier teilweise betrieben wird.
Arthur S.
18.06.2012 - 12:37 Uhr
Kunstgriff 9

Die Fragen nicht in der Ordnung tun, die der daraus zu ziehende Schluß erfordert, sondern in allerhand Versetzungen: er weiß dann nicht, wo man hinaus will, und kann nicht vorbauen; auch kann man dann seine Antworten zu verschiedenen Schlüssen benutzen, sogar zu entgegengesetzten, je nachdem sie ausfallen. Dies ist dem Kunstgriff 4 verwandt, daß man sein Verfahren maskieren soll.

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