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Altruismus-Egoismus

User Beitrag
caramel
18.12.2005 - 18:21 Uhr
Wurde neulich in Soziologie angesprochen: Die Frage,ob angesichts des zunehmenden Egoismus der dauerhafte Bestand von Gesellschaft überhaupt noch möglich sei und inwiefern Altruismus notwendig ist.
jes
18.12.2005 - 18:26 Uhr
Gesellschaft? Meinst du damit die Menschen an sich oder das soziale Geflecht aka "Gesellschaft"?
caramel
18.12.2005 - 18:30 Uhr
Schon eher das soziale Geflecht, wobei eben dieses ohne die Menschen an sich und ihr Handeln natürlich nicht möglich ist.
Daniela
18.12.2005 - 18:31 Uhr

Gibt's denn einen "zunehmenden Egoismus"?
caramel
18.12.2005 - 18:35 Uhr
Angeblich schon. Ich für meinen Fall würde darunter Konkurrenzdenken und Individualisierung verstehen, wobei beides prägend für moderne Gesellschaften sein soll.
jes
18.12.2005 - 18:51 Uhr
soll? trifft es "ist" nich viel eher?
caramel
18.12.2005 - 18:57 Uhr
Ist umstritten. Einersits macht sich zur Zeit beides bemerkbar, allerdings frage ich mich, ob es wirklich eine neue Erscheinung ist oder ob es nicht auch schon früher so war und aber jetzt erst so stark in der Diskussion ist.
simon
18.12.2005 - 19:02 Uhr
Das mit der Individualisierung stimmt schon. Was für wirkliche soziale Zusammenhänge gibt es denn noch, wo sich wirklich jeder wiederfindet?
Nationalstaaten wohl kaum. Haben ihre Hochzeit jedenfalls hinter sich.
Religion? Schwer zu sagen. Jedenfalls in Form der krichlichen Gemeinden, die wirklich als Gemeinden funktionieren ebenfalls nicht mehr wirklich vorhanden.
Nachbarschaft? Wer von euch kennt denn wirklich seine Nachbarn...
Familie? Klar, hat jeder. Verändert sich aber auch. Alleinerziehende Mütter und so. Niedrige Geburtenrate. Aber sicherlich das stärkste.
Worauf wird sich also die Gesellschaft der Zukunft gründen?
Patte
18.12.2005 - 19:06 Uhr
@simon:

Wird schwierig werden. Wir haben keine großen Krisen mehr, die uns zusammenschweißen. Das ist auf der einen Seite klasse, auf der anderen aber auch eine verdammte Krux. There is no perfect world.
Daniela
18.12.2005 - 19:07 Uhr

Guter ZEIT-Artikel in der aktuellen Ausgabe zum Thema Einsamkeit und ihrer gesellschaftlichen Wahrnehmung. Möglicherweise reden wir ja einfach mehr drüber.
simon
18.12.2005 - 19:08 Uhr
@Patte
Vermutlich wird dann das Abendland schlussendlich seinem Niedergang entgegensehn müssen (zu dekadent geworden), und der Osten übernimmt die Weltführung.
Amerika scheint mir jedenfalls keine Garantie für lang anhaltende Vormachtstellung zu sein...
simon
18.12.2005 - 19:08 Uhr
@Daniela
Hast'n Link?
Daniela
18.12.2005 - 19:11 Uhr

Ich kann mal schauen ob ich den in der Online-Ausgabe finde.
Daniela
18.12.2005 - 19:21 Uhr

Nein. Aber was ich behalten habe, kann ich ja sagen. Wir sind heute nicht einsamer als früher, wenn wir dies an der Wertigkeit oder Anzahl der sozialen Kontakte festmachen. Auch die vielbemühte nostalgische Erinnerung an den früheren Familienbegriff wurde da bezweifelt. Und... hm, die Einsamkeit scheint ja schon fast zum Leitmotiv dieser "modernen Gesellschaft" geworden zu sein, dabei ist das vielfach verarbeitete Motiv der grausamen Anonymität der Großstadt größtenteils nur Hirngespinst. In Wirklichkeit fällt es Menschen in Städten leichter, Kontakte zu knüpfen.
Okay, ich fürchte, das ging jetzt auch am ursprünglichen Thema etwas vorbei.
Spenderleber
18.12.2005 - 19:23 Uhr
Ich würde nicht von einem zunehmenden Egoismus sprechen, sondern eher von einer zunehmender Individualität (Elementarteilchen - Houellebecq)

Diese wird uns doch seit der Erfindung des Fernsehens förmlich aufgezwungen. Wir leben sie hier im Forum ja auch jeden Tag aus. Das abgrenzen der eigenen musikalischen Vorlieben und das Runtermachen des "Anderen" hier, wäre ja ein Fall für psychosoziologische Experten, die vielleicht ihre Doktorarbeiten darüber schreiben könnten.

Einen Niedergang der Gesellschaft hätte es meiner Meinung nach, aber auch nicht zur Folge. Die Menschheit teilt sich seit jeher in versch. Gruppen ein (Religion, Adel, Beruf usw.). Daran wird sich auch nichts ändern, es sei denn, jemand erfindet eine neue Spezies (Vorsicht: Insiderschmäh!).

simon
18.12.2005 - 19:28 Uhr
Ist bestimmt viel wahres dran. Wahrscheinlich definiern wir Einsamkeit einfach anders, gehen anders damit um...
Was aber bestimmt so ist, ist, dass sich der Raum im sozialen Sinne verändert hat.
Ich mein damit: Vor einhundert Jahren, und bestimmt allem davor, hätten die Leute die Frage "Wer ist euer Nächster?" mit Menschen beantwortet, die in der unmittelbaren Umgebung leben, im Dorf, in der Gemeinde, wie auch immer.
Und heute? Gemeinden im eigentlichen Sinne exstieren wie schon gesagt nicht mehr, zumindest nicht in der Stadt. Partnerschaften sind über hunderte Kilometer möglich.
Ja, wer ist denn unser Nächster?
Daniela
18.12.2005 - 19:32 Uhr

Einen Niedergang der Gesellschaft hätte es meiner Meinung nach, aber auch nicht zur Folge. Die Menschheit teilt sich seit jeher in versch. Gruppen ein (Religion, Adel, Beruf usw.). Daran wird sich auch nichts ändern, es sei denn, jemand erfindet eine neue Spezies

Sehe ich ganz genauso. Zumal es Beziehungen ja gibt, nur dass sie ihrem Wesen nach jetzt eher frei gewählt und gestaltet sind. Religion, Familie und Nation sind ja dann doch eher Einheiten, in die man völlig unwillkürlich "reingeboren" wird.
jes
18.12.2005 - 19:33 Uhr
Also an der Uni hab ich folgendes beobachtet: die Herdentiere, die NIE was alleine machen, und die krassen Einzelkämpfer, die ALLES alleine machen. Dazwischen gibts es sehr sehr wenig.

Ist das nur hier so?
Daniela
18.12.2005 - 19:36 Uhr

Partnerschaften sind über hunderte Kilometer möglich.
Ja, wer ist denn unser Nächster?


Also die christliche Definition vom "Nächsten" hat aber sicherlich nichts mit Entfernung zu tun.
Und auch sonst verstehe ich dein Beispiel nicht ganz. Schließlich sind Beziehungsnetzwerke ja auch in Großstädten möglich. Oder eben gerade da, wenn du so willst.
Spenderleber
18.12.2005 - 19:42 Uhr
Hmm? Mehr Einsamkeit. Ich glaub, dass kann ich jetzt nicht so stehen lassen.
Durch Handys, Internet & Co sind wir vernetzter denn je. Nachdem sich die Gesellschaft
Jahrhunderte lang sehr wenig verändert hat, hat es im letzten Jahrhundert so schwerwiegende Veränderungen (Individualismus, Pille, Medizin, Frauenrechte, Globalismus, Fernsehen...) gegeben, dass es uns noch nicht gelungen ist, sich an diese Zustände anzupassen. Wer weiß, vielleicht können wir mit der technischen/medizinischen Entwicklung gesellschaftlich so lange nicht mithalten, bis sich eines Tages eine Veränderung unseres Weltbildes einstellt. Ich meine jetzt keine grünen Männchen (Tipp: Stanislaw Lem - Solaris), sondern die Abkehr vom Kapitalismus.

simon
18.12.2005 - 19:43 Uhr
Also die christliche Definition vom "Nächsten" hat aber sicherlich nichts mit Entfernung zu tun.
Bezweifel ich ja auch nicht. Nur ist mir der Kerl, der drei Häuser weiter von mir wohnt, genauso fremd wie irgendeiner, dem ich in München übern Weg laufen würde. Hingegen sind mir die Leute hier im Forum, die überall im deutschsprachigen Raum leben können, um einiges näher. Trotzdem würde ich sie nicht als meine "nächsten" bezeichnen, weils eben doch nur leute sind, deren forumsbeiträge ich hin und wieder lese.
Daniela
18.12.2005 - 19:56 Uhr

Schön und gut, aber das macht dich erstmal nicht einsamer, den Namen deines Nachbarn nicht zu kennen. Schließlich zählt man da nicht die Anzahl der Unbekannten in einem Radius von einem Kilometer. Von Einsamkeit kannst du nur reden, wenn die sozialen Kontakte fehlen. Das kann auf dem Land und in der Stadt so sein. Vermutlich sogar eher noch in ländlichen Dörfern, wo die "Auswahl" geringer ist. Ich meine, die Stadt hält mit ihren vielgestaltigen Freizeit- und Kulturangeboten einen viel größeren Beziehungsmarkt bereit, als ein Dorf.
simon
18.12.2005 - 20:03 Uhr
Schön und gut, aber das macht dich erstmal nicht einsamer, den Namen deines Nachbarn nicht zu kennen.
Sicher. War auch nicht meine Absicht, das zu beweisen. Alles was ich sagen will ist, dass sich die Art der sozialen Gruppen und Verflechtungen verändert hat. Dass sie weitläufiger geworden sind, aber dafür vielleicht auch nicht so beständig sind und so tiefe Wurzeln haben, wie früher.
Daniela
18.12.2005 - 20:06 Uhr

Da stimme ich dir zu. Wobei es nun die Frage wäre, wozu die vergrößerten Wahlmöglichkeiten von Beziehungen geführt hat...
jes
18.12.2005 - 20:25 Uhr
Hm, also in der Großstandt finde ich es viel anonymer. Seitdem ich auf dem Dorf wohne, kenne ich meinen Metzger, Bäcker, etc. Sogar meine Nachbarn!
Greylight
19.12.2005 - 02:01 Uhr
Ich für meinen Fall würde darunter Konkurrenzdenken und Individualisierung verstehen, wobei beides prägend für moderne Gesellschaften sein soll.

Ja, so eine Grundstimmung nehme ich auch wahr. Konkurrenzdenken als Motor und Antrieb. Der Einzelne soll und will es als Individuum "zu etwas bringen". Eine Gesellschaft von lauter Egos, die meist gegeneinander arbeiten und nur selten zusammen. Die "Leistung", die erzeugt werden soll, entsteht so natürlich schon. Aber eine Seele hat dieses System eher nicht und das bekommen viele immer wieder zu spüren. Schon ziemlich neoliberalistisch das Ganze und ellenbogenlastig und unbequem.

Irgendwie halten es die Menschen nicht aus, sich weder ernsthaft miteinander, noch mit sich selbst zu beschäftigen, deshalb tritt man sich nur dauernd gegenseitig in den Arsch.
Das, was wir Menschen die ganze Zeit aus dem Leben machen ist höchst "subobtimal", um unsere liebe Wirtschaftssprache mal zu benutzen.

Auch die vielbemühte nostalgische Erinnerung an den früheren Familienbegriff wurde da bezweifelt.

So wie ich das empfinde, war es früher keinesfalls besser. Da waren die gesellschaftlichen Strukturen eben noch richtig hölzern, knöchern, eingefahren, wasauchimmer. Damals hatte man vor allem Angst, gegen die strengen gesellschaftlichen Regeln zu verstoßen, heute hat man vor allem Angst vor Arbeitslosigkeit, würde ich mal behaupten.
Das Problem liegt eben immer noch am Menschen selbst. Wir sind leider immer noch zu blöd, um uns mal aufzuraffen und bessere, schönere Gesellschaften zu Stande zu bringen. Man kann ja auch nicht mal eben so "Altruismus" herstellen.
Die Blödheit bleibt weiterhin da.
Oder ist es gar nicht so schlimm? Doch, ich glaube schon. Aber es ist wohl trotzdem OK.
tool
19.12.2005 - 02:32 Uhr
ich hab nicht alles gelesen, möchte aber trotzdem meine meinung dazu äußern.

ich denke, dass egoismus oft auch als eine form der oberflächlichkeit verstanden wir. das trifft die lage in deutschland jedenfalls sehr genau, finde ich. die menschen stehen meist unter hohem druck, müssen ihr leben machen und haben nur begrenzte zeit, sich mit anderen menschen wirklich tiefgehend zu unterhalten oder sich auf sie einzulassen.

egoismus in der reinform ist für mich eher dadurch bezeichned, dass menschen sich einen höheren wert zuschreiben und so ihr handeln auslegen - opportunismus wäre da z. B. denkbar.

aber durch die oberflächlichkeit entsteht dieses gefühl der anonymität. jeder versucht doch so normal wie möglich zu sein - bloß nicht auffallen.

mittlerweile gibt es da auch ne gegenbewegung, wahrscheinlich als konsequenz aus der entstandenen anonymität. mainstream-musik ist out, man hört irgendwas, was "anders" klingt. trinkt latte macchiato und trägt stiefel mit bommeln. ich will mich da nicht reinsteigern, da mich diese bewegung sehr ärgert.

ich denke, man sollte die diskussion nicht unnötig verschärfen und unterstellen, dass jeder mensch in deutschland (oder der welt) stets dazu neigt, egoistisch zu handeln. da muss man selbst mit gutem beispiel voran gehen und sich auf die alten normen und werte konzentrieren. türen aufhalten, für alte menschen in der s-bahn aufstehen und ehrliche fragen stellen - interesse an den menschen zeigen.

"wie geht es dir?" - die fragestellung ist auch nur noch ein vorwand, um eine diskussion einzuleiten - in den meisten fällen jedenfalls.

wahrer egoismus, so, wie ich ihn mir vorstelle, findet sich eigentlich nur dort, wo es darum geht, dass menschen sich vorteile erwirtschaften wollen. aber sowas muss sich nicht immer auszahlen.

noch ein nettes beispiel zur oberflächlichkeit. die sendung zur auslosung der wm 2006. da hat man mal gesehen, wie einfallslos man doch sein kann. viel schauspiel, wenig charakter. und so präsentiert sich ein land vor der weltöffentlichkeit?

naja, man kann über das thema stundenlang diskutieren, aber ich bin zu müde, um noch weiter zu schreibe. ich freue mich auf die weiteren beiträge. nacht
tool
15.07.2012 - 13:43 Uhr
hallo? wo bleiben die weiteren beiträge?
Kamm
15.07.2012 - 16:34 Uhr
Es ging ihm, wie es allen ergeht: was er, aus einem innersten Trieb seines Wesens, aufs hartnäckigste suchte und anstrebte, das ward ihm zuteil, aber mehr als für Menschen gut ist. Es wurde anfänglich sein Traum und Glück, dann sein bitteres Schicksal. Der Machtmensch geht an der Macht zugrunde, der Geldmensch am Geld, der Unterwürfige am Dienen, der Lustsucher an der Lust.
(...)
Denn nun stand es so, dass Alleinsein und Unabhängigkeit nicht mehr sein Wunsch und Ziel war, sondern sein Los, seine Verurteilung, dass der Zauberwunsch getan und nicht mehr zurückzunehmen war, dass es nichts mehr half, wenn er voll Sehnsucht und guten Willens die Arme ausstreckte und zu Bindung und Gemeinsamkeit bereit war: man ließ ihn jetzt allein. Dabei war er nicht etwa verhasst und den Menschen zuwider. Im Gegenteil, er hatte sehr viele Freunde. Viele hatten ihn gern. Aber es war immer nur Sympathie und Freundlichkeit, was er fand, man lud ihn ein, schrieb ihm nette Briefe, aber nahe an ihm heran kam niemand. Bindung entstand nirgends, sein Leben zu teilen war niemand gewillt und fähig.

(Der Steppenwolf)

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